Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Zeltlager an der montenegrinischen Grenze. 
Kilophot, Wien. 
gestört. Wohl versuchten dessen Diplomaten bei dem bul 
garischen König unter der Hand persönlich für ihre Sache 
zu wirken, um ihn gegen seine Regierung und nament 
lich gegen den Ministerpräsidenten Radoslawow einzu 
nehmen. Sie fanden aber einen sehr geschickten Gegen 
spieler in der Person des Herzogs von Mecklenburg (siehe 
das Bild Seite 221), der sich später nach Konstmitinopel 
begab, und erhielten schließlich vom König eine ebenso 
feine wie deutliche Antwort: Er machte seinem Minister 
präsidenten einen persönlichen Besuch und blieb eine gute 
Stunde bei ihm. Dieser auffallende Schritt bekam durch 
den Umstand große Bedeutung, daß der letzte Fall des 
Besuches des bulgarischen Königs bei einem Ministerpräsi 
denten vierzehn Jahre zurücklag. Die Auffassung des 
Königs und der bulgarischen Regierung von dem Hinter 
treppenangriff der Vierverbändler wurde dadurch noch be 
sonders unterstrichen, daß Radoslawow die Antwort Bul 
gariens an die Vertreter der Vierverbandsmächte diesen 
persönlich überbrachte und in unmittelbarem Anschluß daran 
eine ausführliche Aussprache mit dem Vertreter Deutsch 
lands herbeiführte. Mit diesem Mißerfolg begnügten sich 
die Vierverbandsmächte aber noch nicht, sie bemühten sich 
weiter um Bulgarien, wo aus früher geschilderten inner 
politischen Gründen eine gegen Rußland gerichtete Poli 
tik noch mit Widerstünden zu rechnen hatte, die die bul 
garische Regierung indessen in vorsichtiger, unermüdlicher 
Arbeit aus dem Wege zu räumen trachtete. 
Die Galgenfrist, die sich so den Vierverbandsmächten 
bot, wurde von ihnen auch ohne Rücksicht auf die den 
Serben am nächsten stehende Balkanmacht, Griechenland, 
immer wieder aufs neue nutzbar zu machen versucht. 
Eriecheulaud bot für die Hoffnungen des Vierverbandes 
gegen früher günstigere Aussichten, weil in Zusammen 
hang mit den Parlamentsneuwahlen die Regierung des 
deutschfreundlichen Gunaris durch eine solche des zeitweilig 
heimgeschickten Venizelos verdrängt worden war. Dieser 
war aber viel zu einsichtig, als daß er die von ihm seinerzeit 
geübte bedingungslose Auslieferung Griechenlands und 
seiner Militärmacht für die Zwecke des Vierverbandes nun 
mehr hätte fortsetzen sollen. Seit dem 6. März, dem Tage 
seines Sturzes, bis zu seinem Wiedereintritt in die Regie 
rung Mitte August war allzuviel geschehen, das dem klugen 
Kreter die Augen öffnen mußte. Er fühlte sich den Vier 
verbandsmächten nach seiner neuen Schilderhebung, an 
der sie durch Wahlgelder nicht geringen Anteil gehabt 
hatten, lediglich zum Versprechen der wohlwollenden Neu 
tralität Griechenlands verpflichtet. Auch mußte ihm die 
Prüfung der inneren Lage Griechenlands zu denken geben 
und vor allem die Finanzlage des Landes ihn besorgt 
machen. Ohne Anleihe konnte nicht einmal das augen 
blickliche Eeldbedürfnis befriedigt, geschweige denn daran 
gedacht werden, die Kraft zu achtunggebietenden militäri 
schen Leistungen aufzubringen. Daran war nicht zuletzt 
auch die Unterbindung des griechischen Handels durch Eng 
land schuld. Die Verhandlungen der griechischen Regie 
rung mit dem Vierverband über die Aufhebung der den 
Handel Griechenlands durch immer neue Eingriffe schwer 
beeinträchtigenden englischen Aufsicht führte zu einem Ab 
kommen, das den Staaten des Vierverbandes die Einfuhr 
nach Griechenland in dem Umfang gewährleistete, wie er 
der statistisch nachzuweisenden Einfuhr in früheren Jahren 
und damit zugleich den Bedürfnissen des Landes entsprach. 
Verschiedene Waren sollten weiterhin nach Bulgarien und 
Serbien ausgeführt werden dürfen. Ferner wurde die 
Ausfuhr von Korinthen und Tabak, unter anderem sogar 
nach Deutschland und Österreich-Ungarn, mit der Beschrän 
kung zugelassen, daß die Ausschiffung dieser griechischen 
Erzeugnisse in neutralen Häfen zu erfolgen habe. Alle diese 
Erleichterungen unterlagen aber der weitgehenden Ein 
schränkung, daß die griechische Regierung zur Beaufsichti 
gung geeignete Beamte anzustellen verpflichtet wurde, die 
über etwaige Unregelmäßigkeiten bei Einfuhr und Ausfuhr 
zu berichten hatten und von der englischen Regierung zur 
Anstellung vorgeschlagen werden sollten. So war es Eng 
land gelungen, von seiner gewaltsam ertrotzten Kontrolle zu 
einer geradezu rechtlichen, von dem bedrückten Lande selbst 
einzurichtenden und auszubauenden Beaufsichtigung fort 
zuschreiten. Damit waren aber die Sorgen, die Griechen 
land von seinem englischen Freund und Schutzherrn be 
reitet wurden, bei weitem noch nicht erschöpft. Auch 
Griechenland sollte Gebiet an Bulgarien abtreten. Und 
ferner waren ihm die Versprechungen des Vierverbandes 
an Bulgarien insofern nachteilig, als die in Aussicht ge 
nommenen neuen bulgarischen Grenzen eine Trennung 
zwischen Griechenland und Serbien herbeiführen mußten, 
während Griechenland auf Grund seines Vertrages mit 
Serbien auf gemeinschaftliche Grenzen mit diesem, die im 
Kriegsfälle ein ungestörtes militärisches Zusammengehen 
beider Länder ermöglichten, großen Wert legen mußte. 
Deshalb ließ auch Griechenland in seinem Widerstand zu-
	        
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