Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Phot. Leipziger Presse-Büro. 
Syrien. 
Am 14. Juli kam es in der Gegend westlich von Korna ZU 
erneuten umfangreichen Kümpfen. Die Engländer hatten 
Verstärkungen herangeführt und versuchten diesmal mit 
aller Wucht ihre früheren Schlappen wettzumachen. Den 
ganzen Tag über hielten wechselvolle, mit äußerster Erbitte 
rung geführte Gefechte an. Am Abend ward die Niederlage 
der Engländer entschieden. Sie wurden in den Euphrat 
getrieben, warfen ihre Waffen weg und versenkten auch 
2 Maschinengewehre in den Fluß, weil sie sie nicht mehr ein- 
booten konnten. Sie ließen über 1000 Tote zurück, unter 
ihnen den Oberbefehlshaber und zwei andere Offiziere. 
Die Türken erbeuteten 200 Gewehre, 32 Barken, viel 
Munition, Pioniergerät und zahlreiche Ferngläser. 
Die Rückführung der Verwundeten in Schiffen nach dem 
Süden dauerte zwei Tage hindurch und war dann noch nicht 
abgeschlossen. Am 17. Juli entliefen den Engländern zahl 
reiche Moslems, die sie gewaltsam zum Militärdienst ge 
zwungen hatten. Sie verstärkten die türkischen Truppen 
abteilungen, die nun selbst mit Glück einen Angriffstoß gegen 
den feindlichen rechten Flügel bei Kalatelnedschim aus- 
Gine zerstörte Straße in Haleb (Aleppo) im nördlichen 
führten und den Gegner zum Rückzug zwangen. In 
diesem Kampfe versenkte die türkische Artillerie auch ein 
mit Lebensmitteln beladenes feindliches Boot; ein empfind 
licher Verlust für die auf die mitgeführten Lebensmittel 
angewiesenen Engländer. Diese mußten sich auch in der fol 
genden Nacht einen Einbruch der türkischen Freiwilligen in 
das englische Lager gefallen lassen, aus dem reiche Beute 
fortgeführt wurde. 
Hierauf schlummerten die Kämpfe auf dieser Front 
wieder ein. Der Widerstand, den die Engländer gefunden 
hatten, war wider Erwarten so stark gewesen, daß sie zu 
nächst von weiteren Vorstößen absahen. Wie wenig man sie 
euphrataufwärts fürchtet, mag aus der Tatsache hervor 
gehen, daß man am 23. Juli, unbekümmert um ihre kriege 
rischen Drohungen, die 41 Kilometer lange Baustrecke der 
Bagdadbahn von Tonen: nach Ras-el-Ain feierlich dem 
Verkehr übergab. 
Daß der heilige Krieg auch in den entfernteren Gebieten 
des Orients weitere Kreise zieht, geht aus den spärlichen 
Nachrichten hervor, die aus Indien trotz aller Verheiln-- 
lichungskünste dennoch zu uns durchdrängen. In Manila 
eingetroffene Gäste des Postdampfers „Alicante", der Aden, 
Eolombo, Ceylon und Singapore angelaufen hatte, wußten 
von ernsten Unruhen in ganz Indien zu erzählen. Mehrere 
Aufstände hätten stattgefunden. In Colombo seien revol 
tierende Eingeborene nach Ermordung von Europäern und 
Plünderung von Läden durch die englische Militärgewalt 
schwer bestraft worden. Man habe das Kriegsrecht ver 
kündet und die militärtauglichen englischen Untertanen in 
das Heer eingestellt. In Singapore riefen die englischen 
Behörden alle englischen Staatsangehörigen von 20 bis 
30 Jahren zu den Waffen. Auch auf Borneo soll es zu 
Unruhen gekommen sein. 
Am Suezkanal, wo in der ersten Zeit des türkischen Ein 
greifens in den Weltkrieg mit besonders schweren Kampf 
handlungen gerechnet wurde, blieb es während der Monate 
Juni, bis August fast vollständig ruhig. .Nach türkischen 
Berichten sank Anfang Juli aus unbekannten Gründen ein 
großes Schiff im Suezkanal, so daß die Schiffahrt eingestellt 
werden mußte. Anfang August gelang es einer türkischen 
Aufklärungsabteilung trotz aller Sicherungsmaßnahmen der 
Engländer, an den Kanal zu gelangen und die Eisenbahn von 
El "Kantara durch Sprengkörper zu zerstören. 
In Tripolis, wo die türkische Re 
gierung seit Beginn ihrer Kriegserklä 
rung nur mit Mühe die Kampfeslust 
der ihr treuen Stämme aus Rücksicht 
auf den italienischen Bundesgenossen 
gedämpft hatte, waren nach dem 
Treubruch der Italiener natürlich alle 
Schranken gefallen. Nach den ver 
lustreichen Kämpfen mit den Auf 
ständischen im Mai schoben die Ita 
liener eine Anzahl Garnisonen weiter- 
ins Innere vor. Sie waren aber dem 
Kampfmut der Aufständischen nicht 
gewachsen, wurden völlig geschlagen 
und sahen sich genötigt, ihren liby 
schen Besitz, wenn sie.ihn halten woll 
ten, so gut wie vollständig neu zu 
erobern. Sie mußten bereits um die 
Oase Ainzara unmittelbar vor den 
Stadttoren von Tripolis kämpfen, 
und nach italienischen Zeitungsbe 
richten hatte die italienische Bevölke 
rung in der letzten Juliwoche das 
Land fluchtartig verlassen. 
Im Zusammenhang mit den Vor 
gängen in Libyen hatten die Italiener 
wiederholt Drohungen gegen die 
Türkei gerichtet, mit dem Hinweis, 
daß sie eines Tages auf dem Darda 
nellenschauplatz eintreffen könnten. 
Auch wurden sie von ihren Verbün 
deten von Tag zu Tag heftiger ge 
drängt, ihnen dort aus der Verlegen 
heit zu helfen. 
Ein neuer Schauplatz im heiligen 
Kriege wurde Ende Juli und Anfang 
August von den Verbündeten an der 
klemasiatischen Küste vorbereitet. Ende Juli teilte eine 
englische Note den Griechen den Beschluß des Vierverbandes 
mit, daß er wie vorher Lemnos und Tenedos (Karte Bd. II 
S. 242) nunmehr auch Mytilene aus militärischen Gründen 
besetzen werde. Erklärt wurde dieses Unternehmen von 
griechischer Seite mit der Absicht eines Vorstoßes der Ver 
bündeten auf die kleinasiatische Küste gegenüber Mytilene. 
Anfang August wurde dann aus Athen weiter gemeldet, daß 
bei Chios und Samos Torpedoboote und Kreuzer sowie 
Truppen in Stärke von 15 000 Mann zusammengezogen 
seien. Es wurde angenommen, daß eine Landung bei 
Tchesme, Nea Ephesos und Adalia zu einem Vorstoß auf 
kleinasiatischem Gebiet in Aussicht genommen sei. Gegen 
Mitte August hieß es endlich, daß auf Chios und Samos 
70000 Mann verbündeter Truppen, und zwar auf Chios 
englische, auf Samos französische, gelandet seien. 
Nach den Mitteilungen des englischen Ministerpräsidenten 
Asquith betrugen die englischen Eesamtverluste an den Dar 
danellen schon Mitte Juli 8084 getötete Offiziere und Mann 
schaften, 26 814 Verwundete und 5796 Vermißte. Das 
sind aber nach der bisherigen Art der Aufstellung englischer 
Verluste nur die Zahlen für die weißen Engländer, die far 
bigen Engländer sind aller Wahrscheinlichkeit nicht mit ein-
	        
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