162 Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Phot. Leipziger Presse-Büro. Syrien. Am 14. Juli kam es in der Gegend westlich von Korna ZU erneuten umfangreichen Kümpfen. Die Engländer hatten Verstärkungen herangeführt und versuchten diesmal mit aller Wucht ihre früheren Schlappen wettzumachen. Den ganzen Tag über hielten wechselvolle, mit äußerster Erbitte rung geführte Gefechte an. Am Abend ward die Niederlage der Engländer entschieden. Sie wurden in den Euphrat getrieben, warfen ihre Waffen weg und versenkten auch 2 Maschinengewehre in den Fluß, weil sie sie nicht mehr ein- booten konnten. Sie ließen über 1000 Tote zurück, unter ihnen den Oberbefehlshaber und zwei andere Offiziere. Die Türken erbeuteten 200 Gewehre, 32 Barken, viel Munition, Pioniergerät und zahlreiche Ferngläser. Die Rückführung der Verwundeten in Schiffen nach dem Süden dauerte zwei Tage hindurch und war dann noch nicht abgeschlossen. Am 17. Juli entliefen den Engländern zahl reiche Moslems, die sie gewaltsam zum Militärdienst ge zwungen hatten. Sie verstärkten die türkischen Truppen abteilungen, die nun selbst mit Glück einen Angriffstoß gegen den feindlichen rechten Flügel bei Kalatelnedschim aus- Gine zerstörte Straße in Haleb (Aleppo) im nördlichen führten und den Gegner zum Rückzug zwangen. In diesem Kampfe versenkte die türkische Artillerie auch ein mit Lebensmitteln beladenes feindliches Boot; ein empfind licher Verlust für die auf die mitgeführten Lebensmittel angewiesenen Engländer. Diese mußten sich auch in der fol genden Nacht einen Einbruch der türkischen Freiwilligen in das englische Lager gefallen lassen, aus dem reiche Beute fortgeführt wurde. Hierauf schlummerten die Kämpfe auf dieser Front wieder ein. Der Widerstand, den die Engländer gefunden hatten, war wider Erwarten so stark gewesen, daß sie zu nächst von weiteren Vorstößen absahen. Wie wenig man sie euphrataufwärts fürchtet, mag aus der Tatsache hervor gehen, daß man am 23. Juli, unbekümmert um ihre kriege rischen Drohungen, die 41 Kilometer lange Baustrecke der Bagdadbahn von Tonen: nach Ras-el-Ain feierlich dem Verkehr übergab. Daß der heilige Krieg auch in den entfernteren Gebieten des Orients weitere Kreise zieht, geht aus den spärlichen Nachrichten hervor, die aus Indien trotz aller Verheiln-- lichungskünste dennoch zu uns durchdrängen. In Manila eingetroffene Gäste des Postdampfers „Alicante", der Aden, Eolombo, Ceylon und Singapore angelaufen hatte, wußten von ernsten Unruhen in ganz Indien zu erzählen. Mehrere Aufstände hätten stattgefunden. In Colombo seien revol tierende Eingeborene nach Ermordung von Europäern und Plünderung von Läden durch die englische Militärgewalt schwer bestraft worden. Man habe das Kriegsrecht ver kündet und die militärtauglichen englischen Untertanen in das Heer eingestellt. In Singapore riefen die englischen Behörden alle englischen Staatsangehörigen von 20 bis 30 Jahren zu den Waffen. Auch auf Borneo soll es zu Unruhen gekommen sein. Am Suezkanal, wo in der ersten Zeit des türkischen Ein greifens in den Weltkrieg mit besonders schweren Kampf handlungen gerechnet wurde, blieb es während der Monate Juni, bis August fast vollständig ruhig. .Nach türkischen Berichten sank Anfang Juli aus unbekannten Gründen ein großes Schiff im Suezkanal, so daß die Schiffahrt eingestellt werden mußte. Anfang August gelang es einer türkischen Aufklärungsabteilung trotz aller Sicherungsmaßnahmen der Engländer, an den Kanal zu gelangen und die Eisenbahn von El "Kantara durch Sprengkörper zu zerstören. In Tripolis, wo die türkische Re gierung seit Beginn ihrer Kriegserklä rung nur mit Mühe die Kampfeslust der ihr treuen Stämme aus Rücksicht auf den italienischen Bundesgenossen gedämpft hatte, waren nach dem Treubruch der Italiener natürlich alle Schranken gefallen. Nach den ver lustreichen Kämpfen mit den Auf ständischen im Mai schoben die Ita liener eine Anzahl Garnisonen weiter- ins Innere vor. Sie waren aber dem Kampfmut der Aufständischen nicht gewachsen, wurden völlig geschlagen und sahen sich genötigt, ihren liby schen Besitz, wenn sie.ihn halten woll ten, so gut wie vollständig neu zu erobern. Sie mußten bereits um die Oase Ainzara unmittelbar vor den Stadttoren von Tripolis kämpfen, und nach italienischen Zeitungsbe richten hatte die italienische Bevölke rung in der letzten Juliwoche das Land fluchtartig verlassen. Im Zusammenhang mit den Vor gängen in Libyen hatten die Italiener wiederholt Drohungen gegen die Türkei gerichtet, mit dem Hinweis, daß sie eines Tages auf dem Darda nellenschauplatz eintreffen könnten. Auch wurden sie von ihren Verbün deten von Tag zu Tag heftiger ge drängt, ihnen dort aus der Verlegen heit zu helfen. Ein neuer Schauplatz im heiligen Kriege wurde Ende Juli und Anfang August von den Verbündeten an der klemasiatischen Küste vorbereitet. Ende Juli teilte eine englische Note den Griechen den Beschluß des Vierverbandes mit, daß er wie vorher Lemnos und Tenedos (Karte Bd. II S. 242) nunmehr auch Mytilene aus militärischen Gründen besetzen werde. Erklärt wurde dieses Unternehmen von griechischer Seite mit der Absicht eines Vorstoßes der Ver bündeten auf die kleinasiatische Küste gegenüber Mytilene. Anfang August wurde dann aus Athen weiter gemeldet, daß bei Chios und Samos Torpedoboote und Kreuzer sowie Truppen in Stärke von 15 000 Mann zusammengezogen seien. Es wurde angenommen, daß eine Landung bei Tchesme, Nea Ephesos und Adalia zu einem Vorstoß auf kleinasiatischem Gebiet in Aussicht genommen sei. Gegen Mitte August hieß es endlich, daß auf Chios und Samos 70000 Mann verbündeter Truppen, und zwar auf Chios englische, auf Samos französische, gelandet seien. Nach den Mitteilungen des englischen Ministerpräsidenten Asquith betrugen die englischen Eesamtverluste an den Dar danellen schon Mitte Juli 8084 getötete Offiziere und Mann schaften, 26 814 Verwundete und 5796 Vermißte. Das sind aber nach der bisherigen Art der Aufstellung englischer Verluste nur die Zahlen für die weißen Engländer, die far bigen Engländer sind aller Wahrscheinlichkeit nicht mit ein-