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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
begannen sie einen Artillerie-
kampf gegen die österreichisch
ungarischen Stellungen. Die
österreichisch-ungarische Artille
rie blieb ihnen die Antwort nicht
schuldig. Am 6. Mai gelang es
österreichisch-ungarischen Mör
sern durch einen Volltreffer
französische Marinegeschütze bei
Belgrad zu zerstören. Weil um
diese Zeit wegen der entschei
denden Vorgänge in Galizien
ein serbischer Angriff nicht aus
geschlossen erschien, flog ein
österreichisch-ungarisches Flug
zeuggeschwader am 9. Mai mor
gens zur Aufklärung bis nach
Kragujevac und belegte mit
sichtlichem Erfolg das dortige
Arsenal und das pyrotechnische
Institut mit Bomben.
Der österreichisch-ungarische
Luftbesuch ward am 28. Juni,
dem Jahrestage der gewisser
maßen amtlichen Serajewoer
Schandtat der Serben, wieder
holt. Trotz des heftigen Sturm
windes machten sich österrei
chisch-ungarische Flieger an die
sem Tage auf den Weg nach
Belgrad,kreuzten am Mittag un
geachtet lebhafter Beschießung
durch Geschütze, Maschinenge
wehre und Jnfanterieabteilun-
gen über der Stadt und warfen wohlgezielte Brandbomben,
unter denen ein serbisches Schiff und die Militärbaracken
um die Stadt in Flammen aufgingen. Dann flogen sie
nach der Save zurück. Dort erst bemerkten sie, daß die auf
der Seite Serbiens kämpfende französische Luftflotte mit
einigen Flugzeugen die Verfolgung aufgenommen hatte.
Die österreichisch-ungarischen Flieger nahmen trotz ihrer
Minderzahl den Kampf auf, schritten plötzlich zum Angriff
auf die Gegner und verfolgten sie nach Serbien hinein. Bei
dieser Gelegenheit bewarfen sie auch noch das Militärlager
von Orasic mit Bomben und kehrten dann von ihrem
aufregenden Fluge unversehrt wieder heim.
Am 8. Juli und den folgenden Tag wagten sich serbische
Flieger nach Peterwardein und Neusatz in Ungarn. Die
Peterwardeiner Festungsgeschütze beschossen die Flugzone
sofort reichlich mit Schrapnellen. Ein Flieger warf über der
Peterwardein-Neusatzer Eisenbahnbrücke eine Bombe ab.
Sie verfehlte ihr Ziel und fiel
in die Donau. Sachverständige
stellten später fest, daß diese
serbische Bombe französischer
Herkunft war. Anscheinend war
das Feuer der Peterwardeiner
Geschütze nicht ohne Wirkung
auf den Flieger geblieben. Öster
reichisch-ungarische Flugzeuge,
die sich zur Verfolgung erhoben
hatten, konnten keine Spur
mehr von ihm entdecken. Wahr
scheinlich hatte die Maschine des
seindlichen Fliegers einen Scha
den erlitten, der ihn zu schleu
niger Umkehr zwang, oder aber
er ist abgestürzt. Am nächsten
Tage erschien abermals ein ser
bisches Flugzeug über Peter
wardein. Offenbar sollte die
Donaubrücke zerstört werden.
Das ist auch diesem Flieger nicht
gelungen, nur in den Hof der
Brückenschanzkaserne fiel eine
der abgeworfenen Bomben und
riß dort ein mächtiges Loch,
außerdem wurde ein zehnjäh
riger Knabe von einem Granat
splitter schwer verletzt.
Abgesehen von diesen Ar
tillerie- und Luftkämpfen kam
es im ersten Halbjahr 1915 an
der Grenze zu vielen Plänke
leien ohne weitere Bedeutung,
in denen die österreichisch-ungarischen Soldaten stets die
Oberhand behielten und dem Feinde, Serben und Monte
negrinern, nachdrücklich Schaden zufügten. Diesen Grenz
gefechten lag niemals ein Angriffsplan zugrunde, sie er
wuchsen aus der gegenseitigen Erbitterung, wenn die Erenz-
truppen beider Parteien einmal miteinander in Fühlung
gerieten. Indes genossen die Serben, weil ein österreichisch
ungarischer Angriff ausblieb, die Freude, sich als „Befreier"
ihres Landes von dem eingedrungenen Feind zu fühlen, und
versuchten den Eindruck zu erwecken, daß Österreich-Ungarn
von ihnen geschlagen sei. Im Ernst wird man in Serbien
ja nicht zweifeln, daß ein erneuter Angriff des Gegners die
Kräfte des Landes gänzlich erschöpfen müßte. Was in dieser
Hinsicht der österreichisch-ungarische Feldzug gegen Serbien
noch übriggelassen hat, vollenden in grausiger Weise ver
heerende Seuchen, die nicht nur das Feldheer vollständig
zerrütten, sondern auch die Zivilbevölkerung auf das härteste
mitnehmen. Unsäglich
sind die Leiden der Ver
wundeten; neben dem
Mangel an Platz in den
Lazaretten führte das
Fehlen einer genügenden
Zahl von Ärzten und die
Unmöglichkeit der Be
schaffung von Verband
stoffen und Medizin zu
fürchterlichen Zuständen,
die von Reisenden der
verschiedensten Länder in
entsetzenerregenden Dar
stellungen geschildert wer
den. Der Leiter der
niederländischen Ambu
lanz, Dr. van Tienhoven,
der sieben Monate im
Sanitätsdienst der ser
bischen Armee tätig war,
in seinen Schilderungen
also unmittelbar aus
der zuverlässigsten Quelle
schöpft, teilte einem Ver
treter des „Nieuwe Rot-
terdamscheCourant" mit,
daß in Valjewo der Fleck
typhus allein unter den
Phot. Berl. Jllustrat.-Gef. m. b. H.
Engländer auf dem serbischen Kriegschauplatz im gemeinsamen
Gefechlsunlerstand.