Volltext: Erläuterungen zur Gemeindeordnung

Historische Rückblicke. 
L. Historische Rückblicke. 
Wenn wir den Blick in eine 48jährige Vergangenheit zurückwerfen, so be— 
gegnen uns im Gemeindeleben meist ganz fremdartige Bilder. Die große Mehr— 
zahl der Städte und viele Marktgemeinden genossen ausgedehnte Privilegien und 
in Bezug auf politische Verwaltung und Rechtspflege eine weitgehende Autonomie. 
Die Landgemeinden hatten jedoch kaum einen Schatten von Gerechtsame, indem 
ste als völlig dienstpflichtige und botmäßige Organe der grundherrlichen oder l. f. 
Behörde weder die freie Verwaltung ihres Vermögens, noch irgend eine gesetzlich 
garantierte obrigkeitliche Amts- und Machtbefugnis besaßen. 
Die Ereignisse und Stürme des Jahres 1848 mußten auch das alte Gemeinde— 
wesen in seinen Grundfesten auf das tiefste erschüttern. Mit( der Einführung 
verfassungsmäßiger Zustände, mit der Aufhebung des Unterthansverbandes, der 
Pfleggerichte und Districts-Commissariate, mit der gründlichen Umgestaltung der 
Gerichts- und Verwalkungsbehörden und aller öffentlichen Institutionen, auf 
welchen die damalige staatliche und gesellschaftliche Ordnung beruhte, war sowohl 
die privilegierte städtische Bürgergemeinde, wie auch die rechtlose Dorfgemeinde 
gänzlich unhaltbar geworden. — 
Am 17. März 1849 erschien ein neues provisorisches Gemeindegesetz, das 
an seiner Stirne den Wahrspruch trug: „Die Grundfeste des freien Staates ist 
die freie Gemeinde.“ Mit diesem Gesetze wurden außer Linz und Steyr, welche 
eigene Gemeindestatuten erhielten, alle Gemeinden des Landes ohne Unterschied in 
Bezug auf Rechte und Pflichten vollständig gleichgestellt; mit diesem Gesetze sollte 
die freie Gemeinde als lebensvolles und voll belebendes Glied in den neuen Or— 
ganismus des Staatskörpers aufgenommen werden. Die dem Gemeindegesetze vom 
Jahre 1849 zugrunde liegenden Principien der autonomen Gemeinde konnten jedoch 
im praktischen neuen Gemeindeleben keine tieferen Wurzeln fassen. Die im Jahre 
1851 erfolgte Aufhebung der Verfassung und die hiemit eingetretene rückwärts— 
stauende Beweguͤng mußte nothwendig die Selbständigkeit der Gemeinde in ihren 
ersten Keimen unterdrücken, ünd wie unter dem Unterthansverbande die Dorfgemeinde 
nothwendig in der Grundherrlichkeit, so war unter der absoluten Regierung die 
neue Gemeinde allmählich von selbst in der Staatsherrlichkeit aufgegangen. 
Das im Jahre 1859 erschienene neue Gemeindegesetz ist mit Ausnahme der 
Bestimmungen über Gemeinde-Zuständigkeit nicht in Wirksamkeit getreten. 
Durch die Februarverfassung des Jahres 1861 wurde Oesterreich wieder 
ein Verfassungsstaat. Das Gemeindewesen bot damals eine eigenartige Erscheinung. 
Noch bestand das provisorische Gemeindegesetz vom Iahre 1849; doch hatte das— 
selbe seit einem Decennium eine seinen Principien geradezu entgegengesetzte praktische 
Anwendung erhalten, und als im Jahre 1861 der oberösterreichische Landtag zum 
erstenmale zusammentrat, fand er auf dem Boden eines sehr freisinnigen Gemeinde— 
gesetzes eine unfreie Gemeinde. 
Eine der ersten Aufgaben des österreichischen Reichsrathes war es auch, dem 
Gemeindewesen eine den geänderten Verhältnissen angemessene Verfassung zu geben. 
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