Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Anschauungen und Begriffe. 
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Hamlet zu erkennen, wie eng und schal, wie flach und unersprießlich 
das ganze Treiben dieser Welt ist. Mit Recht hat Schopenhauer in 
seiner Erörterung des Humors auf den subjectiven Charakter dieser 
Betrachtungsart und auf das Beispiel Hamlets hingewiesen. 
Es giebt zwei Arten des Humors und der humoristischen Welt 
ansicht. Das Thema beider ist der Contra st, der die Grundform des 
Lächerlichen ausmacht und zwischen der anschaulichen und abstracten 
Erkenntniß, zwischen der Wirklichkeit und den Begriffen besteht. In 
diesem Contraste nun siegt entweder die anschauliche wirkliche Welt, 
so daß die abstracten Begriffe und Ideen an ihr zu Schanden und 
lächerlich werden, wie die Narrheiten des Don Ouixote, oder es siegt 
die wahre, das Weltgetriebe durchschauende Erkenntniß und läßt dieses 
Getriebe tief unter sich im Lichte des Lächerlichen erscheinen: so der 
pessimistische Tiefsinn Hamlets. Bon dieser Gattung des Humors 
haben wir geredet. 
Die abstracten Vorstellungen mit ihrer weiten Aussicht in die 
Vergangenheit und Zukunft schließen das ganze Reich der Sorgen und 
Furcht, der bekümmerten und traurigen Affecte in sich. Wenn nun 
die anschaulichen Vorstellungen über die abstracten siegen und diese 
die Niederlage des Lächerlichen erleiden, so lacht man gern und aus 
vollem Herzen: der unbefangene Genuß der Gegenwart hat über Ver 
gangenheit und Zukunft mit allen ihren Aengsten und Sorgen den Sieg 
davongetragen. Dies ist der Humor der Lebens Heiterkeit, der fröhliche 
Sinn, der gute Humor, den man auch die gute Laune nennt, der sich 
den Augenblick nicht verkümmern und verleiden läßt und alle drückenden 
Vorstellungen wegscherzt. „Sorgen, Sorgen nur auf morgen, Sorgen 
sind für morgen gut!" 
Der Effect des Lächerlichen setzt allemal eine überraschende Wahr 
nehmung voraus. Je seltener nun mit der fortschreitenden Lebens 
erfahrung und Geistesbildung die Ueberraschungen werden, desto seltener 
werden auch die lachenerregenden Anlässe, desto feiner müssen sie sein, 
desto mehr Geist und Witz wird erfordert, um sie hervorzurufen; wo 
gegen Kinder und rohe Menschen, die durch alles mögliche überrascht 
werden, auch alle Augenblicke zum Lachen geneigt sind. Es giebt auch 
gedankenlose Menschen, die nie aufhören, überrascht z'u werden, da sie 
nie lernen, den Zusammenhang der Dinge verstehen. Will man diese 
unverständigen Leute als Narren bezeichnen, so hat das Sprichwort schon 
Recht, wenn es sagt: „An vielem Lachen erkennt man einen Narren".
	        
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