Volltext: Die Ziele unserer Weltpolitik [64]

verhältnismäßig kleines Betätigungsfeld bleiben wird. Es ist 
eine Einseitigkeit, wenn man es neuerdings ganz in den Vorder¬ 
grund geschoben hat. Der Lauptweg ist und bleibt der ozeanische; 
denn die meisten und wichtigsten Teile der Welt, das tropische 
Afrika, Süd- und Ostasten, Australien und die beiden Amerika, 
können wir nur auf ihm erreichen. And wenn er uns, wie es 
uns die verhängnisvolle Erfahrung dieses Krieges zeigt, von 
England mit Leichtigkeit versperrt werden kann, so ergibt sich 
daraus eben die unabweisbare Forderung, Englands Seeherrschaft 
zu brechen und die Freiheit der Meere zu erkämpfen. Ehe wir 
das nicht erreicht haben, sind wir kein großes und freies Volk. 
Auch Nationen müssen vor dem Richterstuhl der Geschichte 
erweisen, daß das, was sie für ihre Lebensbedürfnisse halten, nicht 
bloß egoistische Triebe sind, sondern daß sie ein sittliches Anrecht 
darauf haben. Die Engländer halten sich für ein auserwähltes 
Volk und glauben ein Recht auf die See- und Weltherrschaft zu 
besitzen; aber wir bestreiten es ihnen und setzen uns ihnen gleich. 
Auch die Russen fordern ein Recht aus immer größere Aus¬ 
dehnung ihres Reiches, aber wir setzen auch ihnen unser Recht 
entgegen und verweisen sie aus den inneren Ausbau ihres Reiches 
und die Ausbildung ihrer Kultur. Der sittliche Anspruch der 
Nationen begründet sich auf zwei Dinge: auf ihr wirkliches, aus 
dem Innersten herauswachsendes Lebensbedürfnis und auf ihre 
Fähigkeit, Kulturträger zu sein; denn einem Recht entspricht 
immer zugleich eine Pflicht. Eine Nation, die andere Länder 
und Völker beherrschen oder auch nur starken Einfluß auf sie 
ausüben will, muß ihnen Kultur bringen, muß sie auf eine höhere 
Stufe heben, die sie aus eigener Kraft nicht zu erreichen ver¬ 
mögen. Es wäre ungerecht, zu leugnen, daß England und in 
anderer Weise Frankreich und bis zu einem gewissen Grade auch 
Rußland die Kultur ihrer Lerrschafts- und Einflußgebiete gehoben 
haben. Aber auch wir sind dazu fähig und vielleicht fähiger als 
die anderen, jedenfalls als die Russen. Ich will nicht leugnen 
und möchte vor einer Verkennung dieser Tatsache warnen, daß wir 
in den letzten Jahren zwar viel gelernt haben, aber noch sehr viel 
lernen müssen; denn wir werden in kolonialem und politischem Ge¬ 
schick heute noch von den Engländern übertroffen. Aber es fehlt uns 
jetzt nur die Übung und das praktische Geschick, dagegen dürfen 
wir mit gutem Rechte behaupten, daß die Grundlage unserer 
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