Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Der Neue Kurs. 1890—1901 
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igen künftigen Feldzug gegen Rußland zu benutzen. Sowohl der 
Reichskanzler v. Caprivi wie der Chef des Generalstabes Graf 
Schlieffen wendeten sich gegen diesen Vorschlag 1 . 
Inzwischen machte die französisch-russische Annäherung weitere 
Fortschritte. Noch am 4. Januar 1891 hatte Botschafter Graf Münster 
dem Reichskanzler gemeldet, daß er an den Abschluß einer festen 
russisch-französischen Allianz noch immer nicht glaube, wohl aber 
an militärische Verabredungen für den Fall eines Krieges 1 2 . Die 
Erneuerung des Dreibundes am 6. Mai 1891 bewirkte in den 
politischen Kreisen Petersburgs eine niedergeschlagene Stimmung, 
als durch das Eintreffen eines französischen Geschwaders unter 
dem General Gervais am 23. Juli 1891 in Kronstadt ein völliger Stim 
mungsumschwung eintrat. Botschafter v. Schweinitz, der in Kron 
stadt nicht mit zugegen gewesen war und am 1. August 1891 nach 
Petersburg zurückkehrte, fand alle seine russischen und diplomati 
schen Bekannten unter dem überwältigenden Eindrücke der Kron- 
stadter Vorgänge 3 . Nach seiner Meinung hatte man in Rußland der 
Erneuerung des Dreibundes „eine sensationelle Manifestation“ 
gegenüberstellen wollen. 
Der Gedanke des Zweibundes wurde in ganz Frankreich bald un 
geheuer volkstümlich 4 . Trotzdem glaubte Graf Münster im Frühjahr 
1892 an eine erhebliche Erkaltung der französischen Russenliebe 5 . 
Schon im August 1892 fanden die auf Abschluß einer Militär 
konvention mit Rußland gerichteten französischen Wünsche ihre Er 
füllung. Der Zar lud den General Boisdeffre zu den Augustmanövern 
ein. Bei dieser Gelegenheit kam am 17. August eine Militärkonven 
tion zum Abschluß, die eine nähere Beziehung zwischen den General 
stäben der beiden Länder schon im Frieden anbahnte. Dem Wort 
laute nach war die Militärkonvention nur auf die Notwendigkeiten 
eines Verteidigungskrieges gegen einen Angriff des Dreibundes be 
rechnet. Falls Frankreich von Deutschland oder von Italien mit 
Unterstützung Deutschlands angegriffen wurde, sollte Rußland alle 
seine verfügbaren Kräfte zum Angriff auf Deutschland verwenden. 
Umgekehrt hatte Frankreich, falls Rußland von Deutschland oder 
von Österreich mit Unterstützung Deutschlands angegriffen wurde, 
alle seine verfügbaren Kräfte zum Kampfe gegen Deutschland zu 
verwenden. Die zum Einsätze gegen Deutschland verfügbaren Streit 
kräfte wurden französischerseits auf 1300000 Mann, russischerseits 
auf 700000 bis 800000 Mann festgesetzt. Diese Kräfte sollten sich 
zu entscheidendem Kampfe sofort eiligst einsetzen, derart, daß 
Deutschland gleichzeitig im Osten und im Westen zu kämpfen habe. 
1 Gr. Pol. Nr. 1433. 
2 Gr. Pol. Nr. 1492. 
3 Gr. Pol. Nr. 1504. 
4 Gr. Pol. Nr. 1510. 
5 Gr. Pol. Nr. 1516, 1517.
	        
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