Volltext: Der Kampf um den Suezkanal [35]

am Suezkanal stehen und dieses „Genick Englands" (um einen 
Bismarckschen Ausdruck zu gebrauchen) umdrehen würden. Diese 
.Hoffnung steigerte sich, als in der Tat ein Vortrupp von 2000 be¬ 
rittenen Beduinen ausnehmend schnell durch die 250—300 Km 
breite Wüste der Sinaihalbinsel vordrang und bereits am 22. No¬ 
vember bei El Kantara anlangte, der Ortschaft im Süden des 
großen Menzalehstrandsees, deren Namen („Die Brücke") bereits 
anzeigt, daß hier die Lauptkarawanenstraße von Ost nach West 
den Kanal schneidet. Jene Beduinen lieferten bereits den Eng¬ 
ländern ein erfolgreiches Gefecht, in dessen Verlauf bezeichnender¬ 
weise eine auf englischer Seite kämpfende Kamelreitertruppe 
„spurlos verschwand", d. h. zu den Türken überging. Nach dem 
Gefecht vom 22. November zogen sich die Beduinen aber wieder 
völlig aus der Sichtweite des Kanals zurück, ohne etwas Weiteres 
zu unternehmen. Die Erwartung, daß sie bereits einen für die 
Schiffahrt verhängnisvollen Anschlag gegen den Kanal ausführen 
würden, erfüllte sich nicht. Zwar hatten sie hierzu die Möglich¬ 
keit, denn schon ein künstlich hervorgerufenes Abgleiten der san¬ 
digen, nirgends durch Mauerung gefestigten Böschungen des 
Kanals in der Gegend von El Kantara hätte die Fahrrinne in 
sehr lästiger, vielleicht verhängnisvoller Weise verstopfen können. 
Wenn nichts Derartiges geschah oder auch nur versucht wurde, 
so dürfte der Amstand eine Erklärung hierfür abgeben, daß gerade 
in den Tagen, wo die türkischen Vortruppen am Kanal erschienen, 
die Konstantinopeler Negierung der um die Erhaltung des Kanals 
besonders besorgten italienischen neutralen Regierung das Ver¬ 
sprechen abgab, sie werde bemüht sein, eine Zerstörung des 
Kanals zu vermeiden, solange es die militärische Notwendigkeit 
irgend zulasse. 
So blieb damals der Kanal vom Feind noch unbehelligt, und 
vorübergehende Sperrungen der Wasserstraße, wie sie am 5. No¬ 
vember und 15. Dezember vorgekommen sein sollen, scheinen sich 
nur auf Stunden erstreckt zu haben und durch militärische Ma߬ 
nahmen der Engländer bedingt worden zu sein. Lange hörte man 
nichts mehr von dem türkischen Vorstoß gegen den Kanal; eng¬ 
lische Aufklärungsflieger berichteten, daß östlich vom Kanal nirgends 
mehr etwas vom Feinde zu sehen sei, ja Optimisten trösteten sich 
schon mit der stark naiven Annahme, die Türken hätten den 
Marsch gegen Ägypten völlig aufgegeben. Inzwischen hieß es, 
die Engländer würden, um das Vorrücken des türkischen Äaupt- 
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