Volltext: Der Kampf um den Suezkanal [35]

Tage nach dem leichten Siege der Engländer über die ägyptischen 
Truppen bei Tel-el-Kebir, ganz Ägypten „vorübergehend" in bri¬ 
tische Verwaltung genommen. 
In diesem Zusammenhang brauchen wir die weitere Entwick¬ 
lung der Tragikomödie nicht weiter zu verfolgen, wie England 
32 Jahre lang, allen Bitten und Vorstellungen zum Trotz, immer 
neue Gründe fand, weshalb es zu seinem Leidwesen immer aufs 
neue nicht in der Lage war, die „vorübergehend" angemaßte 
Verwaltung wieder abzugeben und seine Truppen zurückzuziehen. 
Erst in den letzten Monaten hat England die Maske ganz abge¬ 
worfen und sein wahres Gesicht gezeigt, dessen Charakter freilich 
niemand überrascht hat: England hat jetzt Ägypten, wenn auch 
in einer verschleierten Form, tatsächlich annektiert und somit der 
Welt aufs neue gezeigt, wie man neuerdings auch ohne kost¬ 
spielige Kriege und ohne lästige Abfindungssummen die wert¬ 
vollsten Besitzungen einer anderen europäischen Macht fortzu¬ 
nehmen in der Lage ist. 
3. Der Suezkanal im internationalen Kriegsrecht 
Die Hoffnung, die großen Seekanäle der Welt vor allen 
Kriegswechselfällen zu schützen und ihrer friedlichen Kulturaufgabe 
für immer zu erhalten, hat sich leider bisher stets als eine uner¬ 
füllbare Schimäre erwiesen. 
Bei der Schaffung des Panamakanals hegte man ähnliche 
Hoffnungen — der englisch-amerikanische Clayton-Bulwer-Vertrag 
vom 19. April 1850 enthielt als eine der wichtigsten Bestim¬ 
mungen die Anerkennung der unbedingten Neutralität jedes 
kommenden mittelamerikanischen Kanals in Kriegszeiten! — Aber 
die Verhältnisse sind hier wie dort stärker gewesen als die Hoff¬ 
nungen und Wünsche der Menschen. Die Neutralitätsbestim¬ 
mung des Clayton-Bulwer-Vertrags hat im Äay-Pauncefote- 
Vertrag vom 18. November 1901 dem Paragraphen weichen 
müssen, der den Amerikanern die Befestigung ihres kommenden 
Panamakanals gestattete und damit seine Ausnutzung zu einseitig 
nationalen und kriegerischen Zwecken. Beim Suezkanal sind nun 
auch alle ehemaligen Neutralitätsgarantien im Donner der Kanonen 
zerstoben, obwohl hier die Dinge erheblich komplizierter lagen als 
beim Panamakanal. Der letztere ist mit staatlichen Mitteln er¬ 
baut worden, und niemand kann es dem alleinigen Besitzer, der 
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