Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1915 (1915)

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wollen, ob Sie selbst kommen oder 
mir die Vollmacht erteilen, die Farm 
zu verkaufen und Ihnen das Geld zu 
übermitteln. Am besten wäre es, 
wenn Sie selbst die Bewirtschaftung 
des Gutes übernehmen wollten. 
Josef Reichler, Rechtsanwalt." 
Lex hatte den Brief kaum gelesen, 
als er vor Freude sein Weib umfing 
und an sich zog. „Jetzt brauchen wir 
doch nimmer so „Kreuzerfux'n", Rosl, 
und unser Bub hat, wenn er einmal 
groß ist, ein nettes Sacherl beisam- 
men. Wir verkaufen hier und wan¬ 
dern aus. Gar mancher hat schon drü¬ 
ben sein Glück gemacht, und ich habe 
immer gehört, daß . fleißige Hände 
viel besser gezahlt werden als bei 
uns. Wirst sehen, wir werden noch 
steinreiche Leut'." 
„Ja, das wär' schon recht, wenn 
wir uns ein wenig leichter täten. 
Aber so weit fort! Unter lauter 
fremde Leute hinein. Wir müssen 
wohl gar über das große Wasser?" 
„Ja, das schon. Aber unser Herr¬ 
gott ist überall oben auf und hilft 
uns, ob wir in der Heimat oder im 
fernen Amerika sind." 
Das junge Weib machte einen 
Seufzer und lächelte. „Mußt halt im¬ 
mer recht haben. Wenn es nicht Got¬ 
tes Wille wäre, hätten wir den Brief 
nicht bekommen." 
Einige Monate später stand eine 
kleine Familie, Vater, Mutter und 
Kind an Bord eines großen Schiffes, 
das nach Amerika segelte. Immer 
mehr und mehr verschwand das Land 
und die ungeheuere Wasserfläche 
breitete sich vor ihnen aus. Die Mut¬ 
ter hielt das Kind an die Brust ge¬ 
drückt und lächelte unter Tränen zum 
Vater empor, der liebevoll auf sie 
niederschaute. 
Die Beschwerden der Reise waren 
nicht so arg, als sie sich vorgestellt 
hatten. Glücklich landeten sie auf dem 
Boden Amerikas. 
Von dort trug sie der Eilzng nach 
St. Louis, wo sie sogleich den Rechts¬ 
anwalt aufsuchten, bei dem das Testa¬ 
ment hinterlegt war. Dieser, selbst ein 
Deutscher, stand ihnen hilfreich mit 
Rat und Tat zur Seite. 
Am andern Tage, mittags um 
zwölf Uhr, als das Aveglöcklein vom 
Dorfe herübertönte, schritten sie ihrem 
neuen Heim zu. Sie machten das 
Kreuz und beteten den englischen 
Gruß. Betend wollten sie Besitz neh¬ 
men von ihrem Eigentume. 
Es war eine kleine Farm, nicht so 
groß als sie sich's vorstellten,' aber 
freundlich und hell lag sie im Sonnen¬ 
scheine da. Ein Fluß rauschte daneben 
und trennte das Haus vom Dorfe. 
Sein Rauschen erinnerte sie an das 
Bächlein der Heimat. Der Wind 
spielte mit den Blumen, deren Ran¬ 
ken sich zierlich neigten, als wollten 
sie die neuen Bewohner grüßen. 
Hohe, schlanke Bäume standen in 
einiger Entfernung hinter dem Hause, 
im Felde wogte das Zuckerrohr. 
Eine alte Magd öffnete und sagte 
ihnen, daß sie die Wirtschafterin des 
verstorbenen Vetters war und nur 
aus Gefälligkeit dageblieben sei, da¬ 
mit das Haus nicht allein stehe. 
III. 
Die Arbeit brachte sie über die Zeit 
rasch hinweg und besonders der 
Kleine machte ihnen viel Zeitvertreib. 
Er plauderte ihnen in seiner kind¬ 
lichen Weise vor und sie fanden ihr 
ganzes Glück in den unschuldigen 
Kindesaugen. 
Nach einigen Jahren mußte Paul 
die kleine Dorfschule besuchen. Er 
freute sich mit der ganzen Lebhaftig¬ 
keit seines Wesens auf den Verkehr 
mit anderen Kindern, welche er auf 
der väterlichen Farm fast, ganz ent¬ 
behren mußte. Paul lernte gut,' er 
war immer der erste und hatte Eifer, 
„Gelt, Mutter, ich darf recht viel 
lernen, damit ich ein hoher, angesehe¬ 
ner Herr werde. Wenn ich dann viel 
Geld habe, müßt Ihr bei mir wohnen, 
und wir wollen recht glücklich sein 
beisammen." 
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