Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1932 (1932)

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Weil ich noch so klein bin und über 
die Leute nicht hinübersehe, stellt mich der 
Kaspar auf die Betbank beim Missions 
kreuz. Da sehe ich alles recht schön und 
vom Pfarrer erwische ich auch hie und da 
einen Zipfel. 
Ich bin sehr andächtig, denn ich habe 
mein Fünfzigerl noch, und nach der Kirche 
gehen wir zum Metzger, hat der Kaspar 
gesagt, da essen wir ein Bratl mit Gur 
kensalat. Auf einmal wird's in der Kirche 
ganz still, die Orgel hört auf und die 
Chorsängerinnen grillen nicht mehr. 
Aber nach einer Weile höre ich einen 
Mann furchtbar schreien, und die Leute, 
besonders die Weiber, fangen zu rotzen 
und zu röhren (weinen) an. Ich verstehe 
das nicht und frage den Kaspar, was das 
ist- 
„Das ist die Predigt", sagt der Kaspar, 
„und jetzt geht's über d' Hoffart her." 
„Ja", frage ich weiter, „ist's denn da 
Brauch, daß man weint?" 
„Jetzt noch nicht", sagt der Kaspar, 
„denn die Hoffart geht nur die Weiber 
leut' an." 
Mir ist's recht. 
Nach einer Weile wird das Rotzen und 
Röhren besonders heftig. Sagt der Kas 
par: „Jetzt hat er die Unkeuschheit in der 
Reißen, aber die geht uns auch nichts an. 
Du bist noch zu dumm und ich bin schon 
zu alt." 
Wir stehen wie zwei Stöcke, der Kaspar 
und ich... Denn das geht uns nichts an. 
Nach einer Weile fahren sich auch die 
Mannsbilder mit den Schneuztücheln über 
die Augen. Sagt der Kaspar: „Jetzt geht's 
über das Fluchen und Raufen. Wir zwei 
find nicht von der Gemeinde." 
Also gehts uns auch nichts an. 
Jetzt aber sucht auch der Kaspar schon 
nach seinem Schneuztüchel, und ich denk' 
mir schon, was wird's jetzt sein? Da neigt 
er sich zu mir und sagt: „Röhr', jetzt 
geht's über Fraß und Völlerei!" 
Und den Kaspar stoßt es zum Er 
barmen. 
Ich kann aber nicht weinen, weil ich 
schon wieder Hunger habe. Jetzt fällt mir 
ein, daß ich heute der Praterfrau mit dem 
Fünfziger! davon bin. Aber ich kann auch 
deswegen nicht röhren, denn ich denke 
immer schon an das Bratl und den Gur 
kensalat. 
Jetzt wird es drinnen wieder still, die 
Leute fahren sich mit den Schneuztücheln 
noch ein paarmal über die Augen und 
flüstern sich zu: „Heut' hat er aber wieder 
einmal eine sakrisch schöne Predigt ge 
habt." 
In der Kirche fängt die Orgel wieder 
an, die Chorsängerinnen grillen und der 
Weihrauch hängt wie weißes Gewölk am 
Gewölbe. 
Nach einer Weile macht alles ein 
Kreuz, der Kaspar hebt mich von der 
Betbank und sagt: „Jetzt müssen wir uns 
tummeln, sonst kriegen wir keinen Platz 
mehr in der Metzgerkuchl." 
Wir sind aber doch die ersten dort und 
die Metzgerin stellt uns gleich ein Voressen 
hin und das Bratl mit dem Gurkensalat 
bringt sie auch gleich daher. 
Der Kaspar sagt alleweil: „Iß nur!" 
und „iß nur! Denn so etwas Gutes kriegst 
daheim nit alle Tage!" sagt er. 
Da hat er schon recht. 
Ihm schmeckt es aber auch so gut, daß 
ihm die Metzgerin noch zweimal nach 
tragen muß. 
Und ich verstehe, warum der Kaspar 
vorhin bei „Fraß und Völlerei" geröhrt hat. 
Nach dem Essen wischen wir uns die 
Mäuler, und der Kaspar fragt: „Was ist 
dir jetzt lieber, eine frische Maß oder ein 
Met?" 
Ich sage: „Ein Met." Denn der Met 
ist süß und das Bier ist sauer. Das mag 
ich nicht. 
Also gehen wir wieder zum Pleintin- 
ger in die Methütte und bleiben und 
sitzen bis zur Vesper. 
Wie es Vesper läutet, ist mir auf ein 
mal so singerisch und ich singe schon 
heraus auch: ° 
Da droben auf dem Bergerl 
Steht, a kleine Kapelln, 
Da laßt sich der Hanserl 
Sein' Hochzeit vermähln. 
Der Kaspar schaut mich an, pfeift lang 
sam und sagt: „Jetzt gefällst mir." „Ja", 
sage ich, „ich kann schon noch ein paar; 
lus auf: 
Da droben auf dem Bergerl 
Steht a Wassergrandl,
	        
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