Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1929 (1929)

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Winseln brachte sie wieder zur Besinnung. Sie 
schrie auf und raffte einen alten, verrosteten 
Säbel vom Vater aus der Ecke, und wie sie 
war, stürzte sie zur Tür hinaus und rannte 
davon. Und als sie an den Kirchplatz kam, da 
sah sie ihr Kind stapfen und sah noch etwas, 
was ihr das Blut in den Adern erstarren ließ. 
An der Mauer huschte es vorüber, grau und 
schwarz, mit glühenden Augen und triefendem 
Maul und lungernder Zunge und den Schwanz 
zwischen die Beine gezogen. Drei, vier, fünf 
— Himmel, speit denn die Erde Bestien aus? 
Und ein Kinderschrei ertönte, gellend, und 
gellender fuhr der Mutterschrei in die stille, 
starre, eisige Luft. Und sie sah noch, wie das 
Kind bis zur Kirchtür zurückwich, und nun 
stürzte sie vor und war nun mitten im Wolfs 
rudel, und wie eine Sinnlose schlug sie mit 
dem Säbel um sich, daß Schnauzen und Zun 
gen und Fell- und Hautfetzen und Haarbüschel 
umherstoben —• und jetzt waren sie .über ihr, 
und es krachte und schlechzte und knurrte. — 
Und als die Bauern dazukamen, war alles 
vorüber. Ein Säbel lag da, blutig, rostig, und 
etliches Kleiderwerk, und ein Dutzend Grauer 
huschten mit schiefem Blick und blutigem Maul 
davon, und im feigen Fliehen zerfetzten sie noch 
die mitgeschleppten Leiber ihrer Kameraden, 
die Proseccas Säbel zu Fall gebracht. 
Mit stummem Grauen standen die Bauern 
da. Ein Schuß und noch einer fegte dem Blut 
gesindel nach, das war alles. Nein, nicht alles, 
denn aus dem Kirchlein klang jetzt leises 
Weinen. Die Männer erschreckten. Sie gehen 
ins Gotteshaus, dessen Tür offen ist. Da hockt 
Delorma am Muttergottesbild, halb erstarrt 
vor Angst und Schreck. Und im Händchen hat 
sie ihr Kreuze! und sie lallt ihr Betsprüchlein: 
„Heilige Jungfrau in Gnaden!" 
Und der Schulmeister hebt sie auf und 
trägt sie zu Mutter Cäeilia. 
„Da, Frau, bring' ich dir dein Marien- 
kreuzel wieder und das Kind dazu. Willst es 
behalten?" 
Sie umschlingt das nun mutterlose Mäderl 
und legt es in den Lehnstuhl und kniet vor ihr 
nieder und sagt: 
„Nun hat dir das Kreuzel doch geholfen!" 
„Und uns dazu!" sagte der alte Schul 
meister und lispelt noch leise: „Und der armen 
Mutter sei Gott gnädig!" 
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Der Äörigott. 
Skizze von F. Kaltenhauser. 
„Wann i der Hörigott*) wär' —!" Diese 
Redensart, die er gar so oft anwendete, gab 
ihm seinen Necknamen. Dem Taufbuche nach 
hieß er Sebastian Küchinger. Er war einer 
von denen, deren Teil nicht von dieser Welt 
ist. Denn gerade, da er zur Welt gekommen 
war, brannte seiner Eltern Häuschen nieder, 
und die hatten zu wenig, es wieder aufzu 
bauen. Mit knapper Not waren Mutter und 
Kind und der wenige Hausrat gerettet worden. 
„Wann i der Hörigott wär'!" sagte der Se 
bastian oder Wastl schon als ganz kleiner Bube, 
sobald ihn etwas innerlich ergriff und er es 
gerne anders gemacht hätte. „Wann i der 
Hörigott wär', dös machet i halt anders!" Es 
wurde sein zweites Wort. Als sein Vater starb, 
da er selber erst elf Jahre zählte, sagte er in 
trostlosem Tone: „Wann i der Hörigott wär', 
hätt' i halt den Vater noch a vier oder fünf, 
Jahrln leben lassen, damit i selber nachher 
*) Herrgott. 
leichter für die Muatter und Gschwister hätt' 
arbeiten können." Er bedachte dabei nicht, daß 
er als „Hörigott" von aller Erdensorge befreit 
sein würde. Aber wenn er auch nicht der war, 
an dessen Stelle er sich wünschte, er tat doch 
für seine Mutter und Geschwister beinahe 
Übermenschliches. Sobald seine Schulzeit be 
endet war und er seine Aufgaben erledigt 
hatte, ging er zu den Bauern hinaus und 
fragte um Arbeit. Und es gab immer irgendwo 
etwas zu tun für den kräftigen Jungen. An 
statt des Mitessens am Tische des Bauern, 
wo er arbeitete, erbat Wastl sich von der 
Bäuerin ein Stück Brot und ein Häferl Milch, 
das er dann heimtrug. Und sie alle daheim 
hatten zu essen. Er lernte Flachsspinnen und 
setzte sich, sobald das Tageslicht ergraute an 
die Arbeit. Abends, wenn er von der Bauern- 
arbeü heimkam, spann er bei brennender Kien 
fackel auch noch lange. Er spann Flachs für 
die Bäuerinnen, die selber allzu wenig Zeit 
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