Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1928 (1928)

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das Tor gut verschlossen, der „Nero" von 
der Kette gelassen und nun konnten sie ohne 
Sorgen sein trotz der fürchterlichen Geschich 
ten des Muckl, denn der Hund leistete durch 
seine Wachsamkeit, im Notfall auch durch 
seine Stärke die beste Gewähr für ruhige 
Sicherheit. Zur Zeit, da in der Kirche 
bald der Gottesdienst begann, knieten die 
Bäuerin und der Wastl nieder und beteten 
den Rosenkranz. Zuvor schon hatte der Alte 
sein Pfeifchen gestopft und kaum war nach 
dem Gebete das Kreuzzeichen gemacht, 
da griff er schon darnach — es war schon 
zwölf vorüber — und nach dem seligen Aus 
druck in seinem Gesichte zu schließen, muß 
ihm das Schmauchen dieser Weihnachts 
pfeife einen außerordentlichen, Genuß be 
reiten. Die Bäuerin arbeitete in der Küche, 
die Mettenwnrst nahm ihre ganze Tätigkeit 
in Anspruch. Auf einmal schlägt der Hund 
an, der Wastl blickt hinaus zum Fenster, 
„sie kommen", ruft er der Bäuerin zu, und 
geht langsam, das Tor zu öffnen. Mit vor 
Kälte geröteten, aber fröhlichen Gesichtern 
treten die Heimgekehrten in die'Stube, 
legen die Oberkleider ab und bald ist der 
Lisch gedeckt zur Mettenwurst. Die Aerzte 
sagen zwar, unmittelbar vor dem Schlafen 
gehen soll man nicht essen, aber sie sagen 
auch, essen soll man, wenn man hungrig 
ist; und ob die alle hungrig sind! Nein, nein, 
nur her mit der Mettenwurst! So alte 
Bräuche darf man nicht abkommen lassen 
und übrigens so kleine „Ueblichkeiten" sind 
bald wieder kuriert. Nach dem Tischgebet 
suchen alle die Ruhe auf für einige Stunden, 
um dann wieder zur Kirche zu eilen und 
Jesum an seinem Geburtstage anzubeten. 
So wird beim Brunbauer alljährlich die 
Mettennacht verbracht. 
Goldene Stube 
„Behüt dich Gott, Arnold! Jetzt muß 
ich also fort. Sei nicht traurig, arbeite! Und 
koche dir zu Mittag das, was ich dir schon 
hergerichtet habe. Hänge nicht zu viel den 
trüben Gedanken nach, halte dich an die 
liebe, getreue Hoffnung und glaub' mir's, 
es wird bald wieder besser werden! Ich 
hab' so ein Gefühl, daß es recht bald mit uns 
besser wird!" 
Die junge, blonde Frau legt ihre schlan 
ken, zarten Arme um den Hals des Gatten 
und küßt ihn. 
Er zieht sie einen Augenblick stumm an 
sich, dann huscht sie winkend zur Tür hinaus. 
Arnold Huber ist allein. Er dreht das 
elektrische Licht ab; das darf keine Minute 
länger brennen als nötig ist, denn man muß 
sparen. 
. Es ist y 2 7 Uhr früh, ein düsterer Morgen 
Mitte November. Ein müdes, verdrießliches 
Grau erfüllt die Stube, legt sich wie Blei an 
die engen Wände. Nebel kriecht draußen 
durch die Straßen der Großstadt, schwerer 
Herbstnebel, der kalt und feucht zu atmen ist. 
Und die feine, blonde, schwache Frau Jda 
muß unerbittlich hinaus, muß eine weite 
Strecke zu Fuß laufen, dann noch mit der 
Trambahn fahren zu der Porzellanfabrik, 
in der sie beschäftigt ist. 
Arnold Huber bricht auf einen Sessel 
am Tisch zusammen und hält seine sorgen 
schwere Stirn mit den Händen. Sein Weib, 
sein Alles, seine Jda verdient für ihn das 
Brot! Diese Zeit, diese schreckliche Zeit! 
Er wirft einen Blick zum Fenster hin. 
Dort steht seine Arbeit — Bildhauerwerk. 
Cr ist akademischer Bildhauer, Künstler. 
Vor wenigen Jahren noch ist es ihm gut ge 
gangen. Er fand für feine zierlichen Statuen, 
für seine kunstgewerblichen Gegenstände 
Käufer, meist Ausländer oder neue Reiche. 
Aber das ist jetzt vorbei. Der Verkauf, „das 
Geschäft", das leider bei jeder Kunst dabei 
sein muß, steht. 
Arnold hat sich dem Schicksal nicht gleich 
ergeben. Cr hat Arbeit gesucht. In Werk 
stätten, in Betrieben, als Bürobeamter usw. 
— aber es ist ihm gegangen wie jetzt so 
vielen: nichts war für ihn da! — Und er 
glaubte, verzweifeln zu müssen. Wäre er 
allein gewesen, so hätte er wohl mit Humor 
gehungert, so aber war sie da, sein Herzens 
weib, das er in glücklicheren Jahren gefreit 
hatte.
	        
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