Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1901 (1901)

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Nun aber sollen sie sich gelegentlich der 
üblichen Frühjahr-Conferenz im Decanats- 
orte treffen. 
Wie war man begierig, die gegenseitigen 
Erfahrungen auszutauschen! 
Er hatte etwas Verspätung, als er zu 
den versammelten Amtsgenossen trat; denn 
der Reigen der Vorträge hatte begonnen 
und sein Landsmann las eben mit vor 
geneigtem Haupte sein Elaborat vor. 
Welche Veränderung war jedoch auf 
dem blonden Scheitel desselben vorgegangen? 
Die Haare so spärlich, dass man wahrhaftig 
von einer Glatze reden konnte! 
Nach Versammlungsschluss folgte Be 
grüßung und brüderliches Mahl. 
D>e beiden Landsleute schüttelten sich 
herzlich die Hände. 
„Ich gratuliere Dir zu Deiner schrift 
lichen Arbeit/' sagte der Eine. „Aber was 
ist das?" fuhr er fort, indem er mit der 
Hand über den Scheitel des Freundes fuhr. 
„Jeremias faß auf den Trümmern Jerusa 
lems und weinte!" citierte er mit heiterer 
Beziehung. 
„Komm!" sagte der andere, zog einen 
kleinen Rasierspiegel, den er zufällig in der 
Tasche hatte, hervor und führte den spott 
lustigen Collegen vor einen größeren Spiegel. 
Er postierte ihn so, dass mit Hilfe der 
Gegenspiegelung dem Ueberraschten klar 
werden musste, welche Dimensionen seine 
Tonsur angenommen. 
Erschrocken war er zurückgeprallt. 
„Oura to ipsum“ lachte der Kamerad. 
„Der eine hat die Tonsura Petri, der andere 
die Pauls und wenn nicht alle Anzeichen 
trügen, so werden wir noch beide vereinigt 
tragen"! 
.Uebrigens wohl verdient!" erwiderte 
sein Freund, der sich wieder gefasst hatte. 
„Ich habe mir die meine bei den Verseh 
gängen geholt"! 
„Ich nicht minder"! sprach der Andere. 
„Mit 25 Jahren ist das noch etwas früh. 
Wenn wir aber den Sechzigern uns nähern, 
werden wir den Defect als selbstverständ 
lich tragen." 
Beide stehen gegenwärtig vor diesem 
Ziele. Der eine wie der andere hat des Tages 
Last und Hitze getragen und steht einer 
Pfarre vor. 
Nachbarn sind sie wohl nicht mehr, aber 
jeder gedenkt noch gern an den Beginn 
seiner Laufbahn zurück, der Eine nament 
lich an seinen ersten Versehgang, welcher 
sich in ähnlicher Weise auch im Leben anderer 
Berufsgenossen abgespielt haben mag, für 
ihn aber den Reiz des Selbsterlebten hat. 
Dona nobis 
einen Frieden 
Gib hienieden 
£)evt, den Deinen jederzeit; 
Lass sie finden 
Süß empfinden 
Deiner Nähe lVonnigkeit. 
pacem. 
(Nachdruck verboten.) 
Voll Vertrauen 
Lass uns schauen, 
Dich, den Gott der Christenheit, 
Schließ' die Augen, 
Die nicht taugen 
Für der Erde Sündigkeit. 
Sende linde 
Deinem Rinde 
Ruhe in das arme Herz, 
Mit Gedulden 
Tilg' die Schulden, 
Gib der Seele Reueschmerz. 
Nimm den Schaden, 
Gott der Gnaden, 
Den wir hier erlitten, fort; 
Doch die Sonne 
Deiner Wonne 
Leucht' uns einst im Himmel dort. 
Anna Liselsberg.
	        
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