Volltext: Vorsicht! Feind hört mit!

Freiherr Grote ~ Vorsicht! Feind hört mit! 
Neben dem Nachrichtendienst als solchem muß als besonderer, aber mit ihm eng 
verbundener Dienstzweig der Abteilung HIB der Abwehrdienst betrachtet werden 
So eigenartig es auch klingen mag, Tatsache ist, daß man in Deutschland vor den» 
Kriege die Notwendigkeit einer Durchorganisation und straffen Spionageabwehr behörd¬ 
licherseits nicht einsah. Das geht schon daraus hervor, daß der militärische Nachrichten¬ 
dienst mit seinem „enormen" Jahresetat von 300 000 31t., später 450 000 31t., auch 
gleichzeitig den militärischen Spionageabwehrdienst bestreiten mußte. Schon lange bevor 
Nicolai an die Spitze des Nachrichtendienstes trat, hatte man seitens des Generalstabes 
immer wieder auf die stetig zunehmende feindliche Spionagetätigkeit hingewiesen nnd 
gefordert, daß man wenigstens versuche, mit dem Nachrichtendienst auch auf dem Gebiet 
der Abwehr einigermaßen Schritt zu halten. Alle diese Hinweise und Forderungen 
erhellten ersichtlich die unerklärliche Haltung der Behörden und des Reichstages. 
In diesem Widerstand der Behörden spielte ihre Angst vor einer politischen Tätigkeit 
des Generalstabes die größte Nolle. Dazu kam die bundesstaatliche Organisation der 
Polizei, die teilweise so weit ging, daß die Grenze zwischen zwei deutschen Bundesstaaten 
wie mit einem Stacheldrahtverhau gesperrt war und die Behandlung eines Falles vor¬ 
der Grenze des einen Staates Halt machen mußte. Alle Hinweise Nicolais auf die 
unbedingte Notwendigkeit einer einheitlichen Behandlung im Reiche, einer einheitlicher» 
Reichspolizeiorganisation blieben zwecklos. Die deutsche Eigenbrötelei war so stark, daß 
das Interesse des Reiches schwer darunter litt. Die natürliche Folge war, daß die Abwehr 
vor dem Kriege minimal war und daß vor allen Dingen, als der Krieg ausbrach, sich 
ein äußerst fühlbarer Ntangel an ausgebildetem Personal und auf diesem Gebiet geschulte»» 
Beamten bemerkbar machte. 
Vor dem Kriege bestanden sieben bundesstaatliche Zentralstellen Ln Deutschland, ir» 
deren Aufgabengebiet die Abwehr der Spionage fiel. Eine übergeordnete Stelle, die 
einheitliche Richtlinien erteilte und dafür Sorge trug, daß die Grenzen nicht die Ver¬ 
folgung eines Falles mehr oder weniger unmöglich machten, war nicht vorhanden. Es 
war ja ganz ausgeschlossen, daß z. B. die Zentralpolizeistelle Ntünchen sich irgendwelche»» 
Anordnungen von Berlin fügte. Was ging Bayern Preußen an? 
Hier setzte Nicolais Arbeit ein. Er erkannte sehr bald, daß der von ihm ausgearbeitete 
und vorgeschlagene Plan einer einheitlichen Reichsabwehrpolizei nicht durchging nnd am 
Widerstand der Behörden scheiterte. So ergriff er von sich aus die Initiative, und es gelang 
ihm wenigstens teilweise, vom Generalstab aus einen gewissen Einfluß auf die verschiedenen 
bundesstaatlichen Zentralstellen zu gewinnen, die auch mehr oder weniger willig seinen 
Anregungen folgten. Diese Einwirkung seitens des Nachrichtendienstes des Generalstabs 
auf die polizeiliche Abwehr hatte den großen Vorteil, daß die enge Verbindung zwischen 
Nachrichtendienst Ln militärischer Abwehr und politischer Abwehr hergestellt wurde. Dies 
war um so notwendiger, als der Nachrichtendienst bei seiner Tätigkeit immer wieder ar»f 
die Fäden der feindlichen Spionage stieß und unmittelbar den Abwehrdienst darauf hin¬ 
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