Volltext: Sozialismus und Sozialisierung in England

Das nach Kriegsende vom nationalen Eisenbahn er verband 
der Regierung präsentierte Programm beschränkte sich auf die 
Forderung: »Den Gewerk vereinen ist ein örtliches und nationales 
Mitbestimmungsrecht bei der Leitung der Eisenbahnen einzu 
räumen 1 ).« Nach Beilegung des Eisenbahnerstreiks vom September 
1919, der durchaus den Charakter eines Lohnkampfes trug, fanden 
Verhandlungen zwischen der Regierung und dem Eisenbahner 
verband über die künftige Organisation der Eisenbahnen statt, in 
denen von dem Gewerk verein unter Ablehnung jeder Art büro 
kratischen Betriebes eine aus Eisenbahnbediensteten und Mit 
teilt mit der Bestimmung, daß die Betriebsbeamten mit dem doppelten Prozent 
satz berücksichtigt werden wie die Arbeiter. Hierin soll ein Äquivalent für die stär 
kere auf den Beamten lastende Verantwortung und ein Ansporn zu erhöhter Lei 
stung gegeben werden. Übersteigt der Überschuß 10% der Bruttoeinnahmen, 
so ist ein Teil zur Ermäßigung der Tarife zu verwenden. Der Plumb Plan wurde 
dem Senat als Gesetzentwurf überreicht, und zu seiner Propagierung wurde von 
den Gewerkschaften eine besondere Organisation, die Plumb Plan League, ins 
Leben gerufen, an deren Spitze Samuel Gompers, der Präsident der American Fede 
ration of Labour, steht. Plumb selbst hat sein System vor dem Ausschüsse des 
Repräsentantenhauses für zwischenstaatlichen und auswärtigen Handel dargelegt. 
Charakteristisch für die Anschauungen, aus denen sein Plan hervorgegangen ist, 
waren die dabei von ihm gebrauchten Schlußworte. »Es scheint mir, daß unsere 
Regierung eine von der produktiven Unternehmungstätigkeit getrennt zu haltende 
Abteilung unseres sozialen Lebens darstellt. Wenn wir beide vereinigen, so gehen wir 
zum Sozialismus über (d. h. Staatssozialismus). Wenn wir sie getrennt voneinander 
halten, können wir trotzdem unsere demokratische Regierungsform bewahren und 
zu gleicher Zeit unser Wirtschaftsleben demokratisieren. Unsere Regierung ist 
nicht zu dem Zweck organisiert worden, Industrien zu betreiben. Kein derartiger 
Zweck lag jenen im Sinne, die unsere Verfassung gebildet haben, sondern sie wurde 
organisiert zum Schutze der politischen und der privaten Rechte ihrer Bürger. Dann 
organisierte oder schuf die Regierung Korporationen für den Betrieb unserer Wirt 
schaft, und der Betrieb der Wirtschaft ist fast völlig durch jene Kreaturen der 
Regierung absorbiert worden. So führt heute tatsächlich die Regierung unsere 
Industrien nicht zum Nutzen ihrer Bürger, sondern zum Gewinn für die, die jene 
Industrien finanzieren. Während wir vollen Vorteil aus allen Errungenschaften 
ziehen wollen, die die korporative Organisation der Gesellschaft verschafft, wollen 
wir sie von dem Zweck der Produktion von Gewinn für Privatpersonen der Förde 
rung des allgemeinen Wohles zuwenden, weil wir durch jene Organisation, durch 
jene Korporationen tatsächlich unsere Industrien sozialisiert haben; aber sie sind 
für den falschen Zweck sozialisiert worden. Wir wollen nur jenen Zweck ändern 
und die Stärke jener gesellschaftlichen Organisation für das unmittelbare Wohl 
derjenigen nutzbar machen, die tatsächlich jene Organisation ausmachen und 
die Allgemeinheit darstellen.« Contemporary Review, Januar 1920, S. 101 fg. 
»Mr. Plumb explains his Plan« vgl. ferner The New Statesman, 6. 9. 1919. C o 1 e , 
Chaos and Order, S. 92—98. 
*) Archiv für Eisenbahnwesen, 1919, S. 462. 
Leubuscher, Sozialismus und Sozialisierung in England. 
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