Volltext: Sozialismus und Sozialisierung in England

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gemacht wie die der Bergarbeiter. Obwohl jedoch die Eisenbahner 
schon 1914 — also früher als die Bergarbeiter — auf ihrer General 
versammlung einen Beschluß auf Nationalisierung unter Anerkennung 
eines weitgehenden Mitbestimmungsrechtes der Bediensteten gefaßt 
hatten, hat die Nationalisierungsforderung bisher in ihrer Politik 
nicht die Bedeutung erlangt, wie etwa in dem Programm der 
Bergarbeiter der Jahre 1919—1920 1 ). Auch ist aus ihren Kreisen 
nicht ein unmittelbar auf die Praxis und auf baldige Verwirklichung 
zugeschnittener Nationalisierungsentwurf von so starker propagan 
distischer Wirkung hervorgegangen 2 ), wie ihn die Bergarbeiter in 
der Miners’ Bill von 1919 auf gestellt haben, und wie ihn die 
amerikanischen Eisenbahner in dem sog. Plumb Plan besitzen 3 ). 
1 ) Vgl. über die Nationalisierungspolitik der Eisenbahnergewerkschaften 
C o 1 e und Page Arnot, Trade Unionism on the Railways, S. 103—108. 
2 ) Nur die Railway Clerks' Association hat einen Entwurf ausgearbeitet, 
nach dem die Benutzer der Bahnen, die Eisenbahnbediensteten und Mitglieder 
des Parlaments als Vertreter der Gesamtheit zu gleichen Teilen an der Verwaltung 
beteiligt werden sollen. Ferner hat die gildensozialistische Liga einen Entwurf 
für die Nationalisierung der Eisenbahnen verfaßt, der aber hier nicht in Frage 
kommt, da er weder aus den Kreisen der Eisenbahner selbst hervorgegangen noch 
allgemein von ihnen anerkannt worden ist. 
3 ) Wegen des großen Aufsehens, den dieser von dem Rechtsbeistand der 
amerikanischen Eisenbahnergewerkschaften Glenn E. Plumb verfaßte Ent 
wurf auch unter den englischen Eisenbahnern erregt hat, sei er hier in seinen Grund 
zügen wiedergegeben. Der Plumbplan beruht auf gildensozialistischen Grund 
sätzen; es wäre daher interessant festzustellen, ob bei seiner Entstehung der Ein 
fluß englischer Gildensozialisten wirksam gewesen ist, oder ob er unabhängig von 
diesem auf amerikanischem Boden erwachsen ist. Auf Grundlage des Staatseigen 
tums (und zwar der Union) wird zunächst auf 100 Jahre ‘eine öffentliche Korpo 
ration zum Betrieb sämtlicher Eisenbahnen der Vereinigten Staaten errichtet,, 
deren Verwaltungsorgane sich in einem System der gemeinsamen Kontrolle in 
der Weise auf bauen, daß in jeder lokalen, regionalen und zentralen Instanz die 
Bundesregierung, die Betriebsbeamten und die Eisenbahnarbeiter zu gleichen Teilen 
vertreten sind. Die oberste Kontrolle liegt in der Hand einer zentralen Eisenbahn- 
kommisison, die aus den drei genannten Parteien unter Hinzuziehung von Mit 
gliedern der Interstate Commerce Commission gebildet wird. An der Spitze des 
gesamten Betriebes stehen 15 Direktoren, von denen je 5 von den Arbeitern, von 
den höheren Betriebsbeamten und vom Präsidenten der Union zu ernennen sind, von 
den letztgenannten 5 dürfen nicht mehr als 3 derselben politischen Partei angehören. 
Die Wahl erfolgt auf 10 Jahre, alle 2 Jahre ist 1 / 5 des Direktoriums neu zu wählen. 
In der Tarifpolitik ist die Korporation an Maximaltarife gebunden, die von der 
Interstate Commerce Commission aufgestellt werden; von dieser muß auch jede 
Tariferhöhung genehmigt werden. Die Überschüsse gehen zur Hälfte an den Staat, 
der sie zur Abtragung der Eisenbahnschuld und zur Entwicklung und Instand 
haltung des Eisenbahnnetzes zu verwenden hat, zur anderen Hälfte werden sie 
unter die im Eisenbahndienst tätigen Personen nach Maßgabe ihres Gehaltes ver-
	        
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