Volltext: Hier spricht der Feind

man Jammern, Wehklagen, Hilferufe. Es war ihre letzte Freude, und bis zum 
Ende sprachen sie davon, daß die „A r d e n t" „i h r T e i l getan" habe, 
wie sie es ausdrückten. Während noch viele am Leben waren, kam ein Deutscher 
nahe heran und schoß eine Leuchtkugel über uns ab. Ich konnte ihn deutlich 
sehen und wollte ihm schon einen Zuruf geben, aber die Leute sagten alle „Nein". 
Sie wollten lieber die entfernte Möglichkeit aufs Spiel setzen, von einem eng¬ 
lischen Schiff gerettet zu werden, als Gefangene in Deutschland zu werden. In 
den letzten Stadien der Erschöpfung klammerten sich Leute an mich an und 
tauchten mich beinahe unter, ich wurde von meiner Rettungsboje weggerissen und 
geradezu ins Waffer gezogen; doch gelang es mir, mich zu erholen und die Boje 
wieder zu fassen. Im übrigen schien keiner von den Leuten zu leiden, sie schienen 
nur zurückzusinken und einzuschlafen. Nach einer langen, öden Weile ging die 
Sonne auf, und da fühlte ich mich viel wohler als zwei Stunden zuvor. Ich fand 
ein Vootsruder und klemmte es unter meine Arme. Allmählich fühlte ich mich 
sehr schläfrig werden, mehrere Male wäre ich beinahe eingenickt, aber die Wellen 
klatschten mir ins Gesicht und weckten mich wieder auf. Eine Morgenbrise kam auf, 
aber die Oberfläche des Wassers war infolge des vielen herumschwimmenden Ols 
von gesunkenen Schiffen ganz glatt. Nach einer für mein Gefühl langen Zeit wurde 
ich wieder ganz wach und glaubte einen Ruf zu vernehmen, konnte auch in weiter 
Entfernung Schiffe sehen. Ich nahm eine Art von unbeteiligtem Intereffe an 
ihnen, da hörte ich wieder einen Ruf und antwortete jemandem nahe im Wasser, 
den ich aber nicht sehen konnte: „Halt fest, Ardentmann!" Ohne besonderes 
Interesse sah ich die Schiffe verschwinden und döste wieder ein. Als ich erwachte, 
erkannte ich ein Flottillenführerschiff — die „Markesman" — dicht bei mir. Ich 
schrie laut um Hilfe und bekam die willkommenen, tröstlichen Rufe zur Antwort: 
„Cs ist gut, Sir, wir kommen," und wieder wurde ich bewußtlos und habe nicht 
die mindeste Erinnerung, wie ich eigentlich an Bord kam. Es war gerade 6 Uhr 
morgens vorbei, als ich aufgefischt wurde. Um 7 Uhr 30 ungefähr erwachte 
mein Intereffe an der Außenwelt wieder, und ich fühlte gar keine schlimme 
Wirkung von meinem langen Aufenthalt im Waffer; nur mein verwundetes Dein 
war ganz steif und schmerzte. Wir hatten eine ungemütliche Rückfahrt, aber auf 
der „Markesman" war man sehr freundlich zu mir. Als die Vordergeschütze 
gerade über mir zu feuern anfingen, gab es mir einen Stoß, aber ich erhielt die 
beruhigende Nachricht, daß sie nicht in Kampf getreten waren, sondern nur die 
„Sparrowhawk" versenkten, die bei einem Zusammenstoß so schwer beschädigt 
worden war, daß man sie unmöglich abschleppen konnte. Am 2. Juni kam ich an 
Vord des Lazarettschiffes „China" und wurde noch in derselben Nacht operiert... 
220
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.