Volltext: Historisch-geographischer Atlas der alten Welt

Allgemeine 
Einleitung. 
Entwickeln^ geographischer Kenntnisse bei 
den Alten. 
1. Anfänge umfassenderer Länderkunde bei den Phöni- 
ciern, ihre Fahrten nach Tarschisch (Tartessus in Süd-Spanien) 
schon um 1100 v. Chr., (auch im Pontus Vorgänger der Griechen.) 
Unbestimmte Kunde ihrer Entdeckungen im Westen zu den Grie¬ 
chen gelangt, Spuren davon erhalten in der sog. homerischen 
Geographie (Irrfahrten des Odysseus). Die sog. mosaische Völ¬ 
kertafel (Genes, cp. 10) ein Denkmal phönicischer Erdkunde, 
wahrscheinlich aus dem 8. oder 7. Jahrhundert v. Chr.; nach den 
Hauptvölkerrassen geordnet, damals nördlich bis Thracien, süd¬ 
lich bis Aethiopien und Süd-Arabien, östlich auf der'Landseite 
bis Medien, zur See bis Indien (Chavila, Ophir) ausgedehnt. Be¬ 
sonders über Miletus werden diese Kenntnisse früh den Griechen 
übermittelt, von ihnen namentlich über den Norden (politische 
Küstenländer) erweitert. Daher im 5. Jahrhundert bei Hecatäus 
und Herodotus vollständigere Nachrichten- über die Umgebungen 
des Mittelmeeres und das Perserreich, nach denen sich das da¬ 
mals schon in Erdkarten*) zusammengestellte Bild der Erdscheibe 
in ungefähren Zügen herstellen lässt (vgl. Taf. I.). Nach dem 
Vorgange der Asiaten Zwei-, später Dreitheilung der bekannten 
Erdoberfläche: die Nord-und Westhälfte: Europa(semit: Ereb, 
d. i. Dunkel, gleichbedeutend bei Homer n^bg toyov), Inner- 
und Nordasien jenseit des Caucasus und caspischen Meeres mit¬ 
begreifend; die Südhälfte (bei Homer nqbg rfco föhbv r«), Asia 
(bedeutet Land des Sonnenaufgangs, wie das spätgriechische Avaiokri 
für Kleinasien); Libya galt zuerst als Theil von Asien und als 
Grenze der Nil, später der Wüstenisthmus. 
2. Erweiterung griechischer Erdkunde östlich bis zum Gan¬ 
ges durch Eroberungen Alexander's und seiner Nachfolger 
(Seleucus Nicator in Indien), gegen Süden durch Erforschung 
der Küsten Persiens, Arabiens, Ostafricas (Nearchus, Handels- 
colonien der Ptolemäer); Ausmessungen der macedonischen Hee¬ 
reswege durch Ingenieure (ßri^ar^arat) und unvollkommene Be¬ 
obachtungen der geographischen Breite durch die Länge des mit¬ 
täglichen Schattens geben festere Grundlagen für die Kartencon- 
struetion (Erdkarte des Dicaearchus von Messana um 300 v. Chr.). 
Erweiterung der Erdkunde im Westen durch Erforschung der 
atlantischen Küsten für den Handel: südlich in Africa der Kar¬ 
thager Hanno im 5(?), nördlich in Europa der Massilier Py- 
theas (bis zur cimbrischen Halbinsel) im 4. Jahrhundert. Erstes 
vollständiges geographisches System bei Eratosthenes von 
Cyrene (Bibliothekar zu Alexandria um 270 v. Chr.). Die Kugel¬ 
gestalt der Erde bekannt, aber zu gross berechnet: der Umfang 
zu 250,000 Stadien = 6250 Meilen. Rückschritt gegen Hero dot's 
Kenntniss in der Hypothese der Verbindung des caspischen Mee¬ 
res mit dem nördlichen Ocean; Tanais Grenzfluss zwischen Eu¬ 
ropa und Asien. Sein System erweitert durch Eudoxus, Apol- 
lodorus, Posidonius, am vollständigsten dargestellt durch Stra- 
bon von Amasla (um 20 n. Chr.). 
3. Vermessung der Strassen des) römischen Reiches seit Au- 
gustus (erhaltene Itinerarien in Text- und Kartenform, sogen. 
Tabula Peutingeriana) und Verzeichnung genauerer Küstenbe¬ 
schreibungen (mgiTikoL), auch Reiseberichte griechischer und rö¬ 
mischer Kaufleute über Indien, Innerasien, Africa, Germanien etc., 
*) Herod, V. 49. Noch im spateren griech. Sprachgebrauche bedeutet das 
Wort ysotiygctfjict ausschliesslich L and karte. 
wichtige Quellen für berichtigte Kartenzeichnung, vorzüglich be¬ 
nutzt vom Tyrier Mar in us um 100 n. Chr. Verbesserte Re¬ 
daction dieses Kartenwerkes durch den Astronomen Claudius 
Ptolemaeus zu Alexandria (um 130). Der Erdumfang zu 180,000 
Stadien (4500 Meilen) angenommen, also der Grad nur zu 5/6 
eines wirklichen Grades, daher die Ausdehnung der bekannten 
Erdoberfläche, vorzüglich von 0. nach W. viel zu gross geschätzt, 
während für che N-S. Richtung wegen vieler durch ungefähre Be¬ 
obachtung ermittelten Breiten die Fehler auf ein geringeres Mass 
beschränkt ^ind. Später keine erhebliche Erweiterung der posi¬ 
tiven Länderkunde, vielmehr Ptolemaeus Werk mit seinen Irrthli- 
mern (Landverbindung zwischen Ost-Africa und Südost-Asien im 
Süden des indischen Oceans nach der schon 140 v. Chr. von 
Hipparchus aufgestellten Hypothese; gerade N-S. Richtung der 
W. - Küste von Africa u. a. m.) massgebend für das ganze Mittel¬ 
alter bis zu den Entdeckungen der Portugiesen. 
/ ** • 
Ethnographische Uebersieht. 
4. Bei den Alten fast nur Unterscheidung der Rassen nach 
äusserlichen Merkmalen, besonders der Hautfarbe. So beson¬ 
ders bei Aegyptiern und Phöniciern: Küscli und Cham im all¬ 
gemeinen für mehr oder weniger dunkelfarbige Völker, Jap he t 
für die hellfarbigen nördlichen Völker, auch griechische Völker¬ 
namen wie Aid-iomg> Sxvd-ui werden mehr im Sinne äusserlicher 
Aehnlichkeit als bestimmter ethnographischer Eintheilung ge¬ 
braucht. 
Die Alten kennen die Negerrasse nur in ihrem äusser- 
sten Nordrand, durch den Handelsverkehr und die Sklavenein¬ 
fuhr der Aegypter und Karthager; die inner- und ostasia¬ 
tische gelbbraune (sog. mongolische oder turanische) Men¬ 
schenrasse nur in ihren am meisten westlich vorgedrungenen Wan¬ 
derstämmen, den eigentlichen Scythen Osteuropas und den 
ihnen in Aeusseiiiclikeit und Lebensweise nahe verwandten Stäm¬ 
men an der Nord- und Ostgrenze des persischen Reiches (Mas- 
sageten, Saken u. a.), auf welche sie daher den Namen der scy- 
thisehen Völker mitübertragen; derselbe begreift demnach fin¬ 
nische und türkische, vielleicht auch tibetische Völker, 
während die in Nord- und Ostasien weitverbreiteten nächstver¬ 
wandten Völkerstämme der Samojeden, Mongolen, Tun- 
gusen ihnen unbekannt geblieben sind, von dem östlichsten Cul- 
turvolke dieser Rasse, den Chinesen, nur eine dunkle Kunde 
zu ihnen gelangt ist. 
5. Alle geschichtlichen Völker der alten Welt gehören 
der weissen "Menschenrasse an, denen Verbreitung aus dem 
südlichen Centraiasien (Quellgebiet des Indus und Oxus nach den 
ältesten Ueberlieferungen der arischen Völker) nach Süden (In¬ 
dien) und Westen (Vorderasien, Europa, Nordafrica) schon in 
vorhistorischer Zeit die dort ursprünglich ansässigen Theile der 
älteren untergeordneten Rassen theils verdrängt, theils unter¬ 
worfen und in sich aufgenommen hat — daher bei den zuerst 
(am weitesten westlich und südlich) eingewanderten Stämmen der 
weissen Rasse — besonders in Africa — stärkste Vermischung 
mit schwarzer Urbevölkerung und daraus entstandene Uebergangs- 
rassen (aethiopische in Südarabien und am obern Nil, li¬ 
bysche im westlichen Nordafrica) — dagegen reinster weisser 
Rassentypus bei den an Zahl weit überwiegenden nördlichen, zu¬ 
letzt ausgewanderten Stämmen, deren nahe Zusammengehörig¬ 
keit durch die Sprachvergleichung der Neuzeit erwiesen ist (sog. 
indogermanische Sprachen und Völker); physisch und sprach¬ 
lich zwischen beiden Gruppen in der Mitte stehen die im süd¬ 
westlichen Asien heimisch gewordenen, jetzt gewöhnlich sogenann¬ 
ten semitischen Völker. 
6. I. Indogermanische (indoeuropäische) Völkerfamilie, 
auch von einigen nach dem asiatischen Hauptvolke arische, 
von andern nach dem Vorgange der Phönicier und Hebräer we¬ 
niger passend j ape tische genannt, seit dem Anfang historischer 
Kunde wie noch jetzt vom Ganges bis zu den Westküsten Euro- 
pa's ausgebreitet, physisch und geistig am höchsten begabt, nur 
in urältester Sagenzeit dem Hirtenleben angehörend, schon sehr 
früh in allen Theilen zum Ackerbau und sesshaften Leben über¬ 
gegangen, daher vorzugsweisse Staaten bildend. Durch die Asien 
und Europa trennenden Meere und Gebirge (besonders Caucasus, 
Zuflucht mannigfacher Reste älterer Bevölkerungen) in zwei 
grosse Hälften getheilt: 
A. Asiatische Hälfte oder Arische Völker. 
a) Ostarische oder Indische Stämme, auch (nach der 
ältesten gemeinsamen Sprache) sanskritische genannt. 
b) Westarische oder Arianische (Iranische) Stämme, 
zu denen als Hauptvölker die Bactrier (sog. Zendsprache), 
Perser, Meder, und nach dem Zeugnisse der Sprache auch 
entfernter die Kurden und Armenier mit den ihnen ver¬ 
wandten Bewohnern des inneren Kleinasiens (Phrygern, 
Cappadociern) gehören. 
B. Europäische Hälfte. 
d) ^t^H s c li^0 Stämme11110 | Südeuropäisches Völkerpaar. 
e) Thrakische Stämme (ihre Stelle unbestimmbar bei 
dem Mangel sprachlicher Beweise, wahrscheinlich den 
folgenden näher verwandt). 
f) Osteuropäisches Völkerpaar: Sarmatische (Slawische) 
und Aisti sehe (Littauische) Stämme, den alten Cultur- 
völkern wenig bekannt geworden. 
g) Mitteleuropäische oder Germanische Stämme (von den 
Griechen und Römern anfänglich irrig zu den folgenden, 
die sie früher kannten, gerechnet). 
h) Westeuropäische oder Keltische Stämme, in ältester 
Zeit die weitverbreitetsten in Europa. 
Neben diesen Stämmen in Süd-Europa Reste einer vorhisto¬ 
rischen, aber gleichfalls der weissen Rasse angehörigen Urbevöl¬ 
kerung in den illyrischen und ligurisehen, in Asien in 
clen Caucasus- und Taurus - Völkern. 
7. II. Semitische Völkerfamilie, die historische 
Hauptbevölkerung des südwestlichen Asiens, nach ihrer eigenen 
Stammesüberlieferung auf einen Urpatriarchen Schern zurück¬ 
geführt, zerfällt in historischer Zeit in zwei grosse Gruppen: 
A. N o r d s e m i t e n, in den Stufen - und Tiefländern längs des 
Südfusses der grossen vorderasiatischen Hochländer weit von 
O. nach W. (vom persischen Meerbusen bis^ zum ägäischen 
Meere) in festen Sitzen verbreitet, in drei Hauptzweigen: 
den Assyrern und Babyloniern in 0., den Aramäern 
(Syrern) in der Mitte, den kleinasiatischen Semiten in W., 
unter denen Cilicier, Carer, Lyder als Hauptvölker er¬ 
scheinen. 
B. Südsemiten, ursprünglich durchaus nomadisch lebend, da¬ 
her weit über die Wüstenländer des südlichen Vorderasiens, 
auch vielleicht schon in vorhistorischer Zeit bis ins nördliche 
Africa verbreitet; ihren späteren Gesammtnamen, Araber, 
bewahren sie sowohl in der mesopotamischen Wüste, als in 
der grossen südlichen Halbinsel, die nach ihnen Arabien 
genannt wird; unter speciellen Volksnamen erscheinen sie ein¬ 
gewandert im Süden über das Meer hin im ostafricanischen
	        
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