Volltext: Schreib das auf, Kisch!

hinter Baumstämmen und kleinen Unebenheiten des Bodens 
niederwarfen — aber in diesen Sekunden wurden wir dezimiert, 
von einer geschlossenen Schützenlinie war keine Rede mehr. 
Was blieb uns übrig als zu schießen, zu schießen, zu schießen? 
Dann kam die kühlere Erwägung: sich selbst zu schützen. 
Hinter den Bäumen hoben meine Kumpane kleine Brustwehren 
aus. Ich hatte natürlich — was habe ich denn überhaupt? — 
keinen Feldspaten. Mit dem Bajonett stieß ich in den Boden, 
um ihn zu lockern und dann das Erdreich auszuheben und mit 
den Händen vor mich hinzuwerfen. 
Bald sah ich, daß ich mit dieser Kratzerei nicht vorwärts¬ 
komme. Fünf Schritte vor mir lag ein Toter in einer Blutlache 
auf dem Bauch. An der Montur erkannte ich, daß es der Infan¬ 
terist Roubal war — er pflegte immer seine Hosen so kokett und 
sorgfältig aus den Hosenspangen hervorzuziehen, daß sie wie 
Pumphosen aussahen. Ich kroch zu der Leiche und schob sie, 
ohne sie anzusehen, wieder kriechend, zu dem dünnen Baum- 
stämmchen, das mir bisher als Deckung gedient hatte. Der Tote 
lag nun quer vor dem Baumstamm, unter seinen Körper hatte 
ich mein Gewehr geschoben, zuerst mit der Breitseite. Als ich 
es umdrehte, daß das Korn nach oben lag, bäumte sich der tote 
Roubal ein wenig auf, und ich sah sein Gesicht: Wangen, Stirne, 
Augenhöhlen waren grünlich, Nase, Mund und Kinn rot von vor¬ 
gequollenem Blut. 
Ich begann meine Gefühle von Angst, Grauen und Verzweif¬ 
lung zu betäuben, indem ich immerfort lud und feuerte. Diese 
Bewegungen folgten einander in immer größerer Hast, bis ich 
mich dabei überraschte, daß ich nur repetierte (ich beschoß die 
Geröllhaufen, hinter denen serbische Schützen steckten) und 
abzog, aber zu laden vergaß. 
Nun sah ich meinen Munitionsvorrat nach. Ich hatte nur 
noch zwei Magazine zu je fünf Patronen. Sollte ich weiter¬ 
schießen oder mir beide Patronenrahmen für einen Notfall auf- 
heben? Ich entschloß mich zum Sparen und legte das Gewehr 
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