Volltext: Schreib das auf, Kisch!

Bleistift und das Papier, um an Dich einige Zeilen zu richten. 
Dein inniger Gottlieb.“ Ein anderer: „Liebe Eltern! Mir geht es 
gut, Obst habe ich genug gegessen, besonders Zwetschgen, herz¬ 
liche Grüße von Euerem Franz.“ Andere Karten, auf denen die 
Absender schon von blutigen Gefechten, überstandenen Gefahren 
und vollbrachten Heldenstückchen faseln, werden wohl nie ihr 
Ziel erreichen, denn die Zensur ist streng. 
Am Nachmittag war dienstfrei, und ich wollte mir ein 
Freudenhaus ansehen, in der Erwartung, es werde irgendeinen 
orientalischen Charakter haben. Statt eines Harems fand ich 
aber die beiden tolerierten Häuser in der Racanska ulica nur als 
typische Bordelle von Militärlagern vor. Der Preis für einen 
Zimmerbesuch beträgt eine Krone und darf — Anordnung des 
Militärkommandos! — nicht erhöht werden. Die meisten der 
Frauen saßen gerade an einer langen Tafel unter einem Tauben¬ 
schlag im Hof und stärkten sich mit einem Abendessen. Die 
Soldaten standen zu Hunderten begierig vor den Zimmern, auf 
den Korridoren und im Flur bis auf die Straße hinaus, unter¬ 
hielten sich durch entsprechende Gespräche oder versuchten 
durch die Schlüssellöcher zu gucken. Die Dirnen waren fast 
durchwegs Magyarinnen und einige hübsche Kroatinnen. 
Der Kuppelwirt saß schwarzbärtig und streng hinter dem 
Büffet, um seinen Arm schlang sich die Binde des Roten 
Kreuzes ... 
Einige 73er von der 1. Kompagnie erzählten mir, sie hätten 
gestern in der Nähe des Franz-Josef-Feldes einen Zehnerjäger 
gefunden, dessen Kopf abgehackt und 30 Meter weit geworfen 
war, beide Arme seien abgetrennt und von den Unterschenkeln 
die Haut abgezogen. Es habe den Eindruck gemacht, als sei er 
bei lebendigem Leibe geschunden worden. Wenn die Geschichte 
wahr ist, woran ich zweifle, so haben die Serben den armen 
Kerl nicht aus Lust an der Bestialität geschändet, sondern um 
uns vor den ersten Gefechten Entsetzen und Angst einzuflößen. 
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