worden. In der Nacht hörten wir Schüsse, es gibt schon Vor¬
postengeplänkel.
Samstag, den 8. August 1914.
Vormittags fand das Begräbnis eines 73ers statt, der gestern
nachts auf Feldwache erschossen worden ist. Um 4 Uhr nach¬
mittags hörte ich das Gebet des Muezzins. Im gelben Gebet¬
mantel sang er eine Kol Nidre-Melodie, rings um den filigran¬
geschnitzten Balkon des Moscheeturmes schreitend. Ich ließ
mich von dem Mann auf dem Kampanile nicht zweimal ein-
laden und begab mich sofort zum Gottesdienst in die Moschee.
Dort sprach der Hodscha kroatisch darüber, daß die moslemi-
tischen Soldaten im Kriege nicht fasten müssen. Der Raum war
quadratisch und mit Teppichen bedeckt. Die Moslim hielten die
Hände zum Gebet ausgebreitet und bewegten rhythmisch ihren
Körper.
Im Cafe erfuhren wir von zeitunglesenden Männern, spanio-
lischen Juden, England habe wirklich den Krieg an Deutschland
erklärt. Sie teilten uns auch mit, daß die Nachrichten von der
Ermordung Poincares und von der Erstürmung des Lovcen nicht
richtig seien. In einem Wagen fuhr eine verwundete Serbin vor¬
über. Sie hatte angeblich einen Brunnen vergiftet und war dabei
ertappt worden; als sie flüchtete, sandte man ihr einen Schuß
nach. Ein Serbe wurde mittels Automobil ins Korpskommando
eingeliefert. Er trug die Uniform eines Infanteristen unserer
bosnischen Regimenter. Der Junge — er soll ein serbischer Offi¬
zier sein — hatte die Augen verbunden. In seinem Gesicht
zeugte kein Fältchen von Besorgnis oder gar von Angst, obwohl
ihm der Tod von Henkershand gewiß ist. Den gleichen ent¬
schlossenen, gleichmütigen Eindruck mußte ich von einem
Komitatschi gewinnen, der in seiner tiaraartigen, schwarzen
Fellmütze mit Handschellen in das Gendarmeriekommando ein¬
geliefert wurde. So leicht, wie man sich’s denkt, wird der Kampf
nicht sein gegen diese zum Tode entschlossene Welt!
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