Volltext: Schreib das auf, Kisch!

Man glaubt auf der Prager Grabenpromenade zu sein. Vor 
dem Korpskommandogebäude und dem Hotel sah man fast alle 
Mitglieder des böhmischen Adels: Lobkowitz, Schönborn, Thun, 
Windischgrätz, Schwarzenberg, Lazansky, Kolowrat, Ringhoff er. 
Sonntag, den 9. August 1914. 
Das Regiment marschierte etwa 4 km bis zu einem freien 
Platz, wo eine Feldmesse abgehalten wurde. Der Divisions¬ 
pfarrer hielt eine Predigt, in der er mitteilte, Papst Pius X. habe 
den Soldaten einen Ablaß von allen ihren Sünden gewährt. Dann 
wurde „Zum Gebet“ geblasen. Unsere Kompagnie bezog mittags 
den Wachtdienst. Im Militärlager, wohin wir zunächst abmar¬ 
schierten, erzählten uns die Dragoner und die dort in den 
Baracken untergebrachten Prager Landsleute des 28. Infanterie¬ 
regiments von den Verwundeten, die am Morgen von den Feld¬ 
wachen in das Spital gebracht worden waren, darunter ein In¬ 
fanterist mit elf Maschinengewehrschüssen und ein Zugsführer, 
der zweimal in den Kopf getroffen wurde. Gerade werden fünf 
Frauen vorbeigeführt, bei denen man Anilin fand; man beschul¬ 
digt sie, daß sie damit Obst vergiften wollten, aber sie erklären, 
den Farbstoff zum Färben von Wolle zu benötigen. Die Militär¬ 
behörden sind unendlich mißtrauisch, denn die ganze Bevöl¬ 
kerung ist hier serbophil gesinnt. Mit Serbien verbindet sie die 
Sprache und die gemeinsame Religion, der sie fromm angehören 
und deren Autonomie Gelegenheit zu irredentistischer Politik 
gab; drüben, jenseits von Save und Drina sitzen die Kirchen¬ 
fürsten, aus Belgrad und Schabatz kommen alle Bücher und alle 
Zeitungen. 
Auf der Stationswache sind die Spionageverdächtigen. Ich 
schaute in die Arreste. In der ersten Zelle stand der junge ser¬ 
bische Offizier in der Bosniakenuniform, den man gestern im 
Auto ins Korpskommando gebracht hatte. In der nächsten Zelle 
waren drei zerlumpte Burschen, Ziegenhirten. Im dritten Raum 
war ein dunkelfarbiger Mann untergebracht, der die Uniform 
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