Volltext: Schreib das auf, Kisch!

einen Bajonettstich in den Hals geschlachtet. Dann brieten wir 
es am Rost. Ich selbst briet mir fette Haut zu Grieben. 
Es dürfte keineswegs mein Ungeschick als Koch, sondern 
der Mangel an Brot Schuld daran tragen, daß mir nach dem 
Genuß der Grieben elend zumute wurde. Trotz Müdigkeit konnte 
ich nicht einschlafen, weil ich immerfort Brechreiz hatte. Ich 
wartete sehnsüchtig auf die Mitternacht — das Ende des Un¬ 
glückstages. Sie kam, ohne daß ich einen Schuß in den Bauch 
oder Kopf erhielt, der mich zum geistigen oder körperlichen 
Krüppel gemacht hätte. Das hatte ich für heute erwartet. Wenn 
aber der Tod heute gekommen wäre, wäre es ein Beweis dafür 
gewesen, daß der Tod kein Glück und keine Erlösung ist. Denn 
das Glück kommt nicht an einem Unglückstag. 
Samstag, den 14. November 1914. 
9 Uhr früh Abmarsch. Im Ort ist ein Plakat des österreichi¬ 
schen Oberkommandos an die Bevölkerung angeschlagen, mit 
dem sie zu Ruhe und friedlicher Gesinnung aufgefordert wird. 
Die Proklamation ist nur in deutscher Sprache affichiert, so daß 
sie keine Wirkung haben kann. Wahrscheinlich konnte man die 
cyrillischen Plakate nicht so schnell herstellen. 
Immer mehr der heimkehrenden Familien begegneten wir, 
auch Männer, die anscheinend in wehrfähigem Alter sind, waren 
darunter. Kinder haben die olivengrünen Mützen der serbischen 
Soldaten auf, viele Knaben und auch Frauen serbische Uniform¬ 
blusen mit Aufschlägen. Heitere Aufmerksamkeit erregten die 
Frauen, die unsere feldgrauen Blusen trugen. Massenhaft Zi¬ 
geuner gibt es hier. 
Die Leute sind schon mutiger geworden, sie stehen vor ihren 
Hütten und schenken uns Rakja und Wasser, um unsere Gunst 
zu gewinnen. Wenn man sie etwas fragt, neigen sie sich devot 
bis zur Erde und versichern, daß sie unsere „untertänigsten 
Diener“ seien, und wenn Offiziere vorüberreiten, schwingen sie 
die Mützen und schreien: „Zivio Austria“. Natürlich würden sie 
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