Volltext: Schreib das auf, Kisch!

Freitag, den 31. Juli 1914. 
Als zehnjähriger Junge habe ich ein Tagebuch zu führen 
begonnen. Wenn ich heute, da ich 20 Jahre älter bin und 
andere Möglichkeiten besitze, mich zu äußern, wieder die 
Führung eines Tagebuches aufnehme, so bestimmen mich dazu 
mehrere Gründe: das Gefühl, eine historische Zeit zu erleben, 
die Unmöglichkeit, die wichtigsten meiner Erlebnisse derzeit 
publizistisch preiszugeben, die persönlichen Ereignisse, die, im 
Zusammenhang mit der politischen Lage, in den letzten Tagen 
mich getroffen haben, und die in mir die Erwartung wecken, 
daß ihnen weitere folgen werden. 
Allerdings sind die Erlebnisse dieser letzten Tage größtenteils 
nur von schmerzhaft erotischer Natur, wodurch die Einleitung 
meiner Kriegsnotizen sozusagen den Memoiren eines Casanova 
von trauriger Gestalt ähneln wird. 
Ich bin auf Grund der alarmierenden Nachrichten aus Binz 
auf Rügen am Dienstag, den 28. d. M., nach Berlin abgereist. 
Am Mittwoch bekam ich einen Expreßbrief meines Bruders, 
daß ich sofort zum Regiment abzugehen habe. Ich holte mir 
im k. k. Konsulat meine Beglaubigung für die Freifahrt und 
eine Wegzehrung von 1 M. 55 Pf. Meine Freundin Trude sagte 
mir zum Abschied, sie habe mir noch etwas zu beichten, sie 
möchte nicht, daß zwischen uns eine Lüge sei, wenn ich in den 
Krieg ziehe. Sie wollte lange nicht mit der Sprache heraus, 
dann gestand sie mir, sie habe einmal einen Eingriff an sich 
vornehmen lassen. 
11
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.