Volltext: Sagen und Legenden aus dem Mondseelande

über Nacht. Am nächsten Tage ging 
er früh morgens zur besagten Quelle, 
unter die er dann einen mächtigen Stein- 
krug setzte. Als er im kommenden Früh¬ 
jahre wiederkehrte und seinen Krug 
holte, war derselbe vollauf mit Gold¬ 
sand gefüllt. So trieb er es durch viele 
Octhre. Nun wollte der Dauer, bei dem 
er so oft das Gastrecht genossen hatte, 
auch sein Glück versuchen und ging den 
Spuren des Anbekannten nach. Doch er 
fand weder den Weihbuchenstock noch 
die Quelle, der er den Namen „Das 
goldene Bründl" gegeben hatte. 
An einem Spätherbsttage aber kam 
eine weidfrohe Gesellschaft durch die 
Saugräben von einer Gemsenjagd an 
der 'Drachenwand herab in dieses Ge¬ 
biet. Einer der Oäger fand nun in 
Ser Nähe des goldenen Bründls glän¬ 
zende Steine, Von denen er einige auf¬ 
hob und in seine Jagdtasche steckte. On 
fröhlicher Oägerlaune in der Taferne 
zu Plomberg erinnerte er sich seiner 
«Steine und zeigte sie den Forstgenossen. 
Ein fremder kleiner Mann mit grauem 
Haar und Bart, der unbeachtet an einem 
Nebentische sah, erhob sich nun, ging 
zum Jäger und bot ihm dreihundert 
Gulden für die Steine. Er hatte näm¬ 
lich erkannt, dah sie reichlich Goldkörner 
enthielten. Der beglückte Oäger wollte 
hierauf wieder zum bekannten Platze 
eilen, um sich noch mehrere solcher Stei¬ 
ne zu holen, doch war sein Bemühen 
ganz umsonst. Er, der des ganzen Ge¬ 
bietes Kundige, fand weder den Platz 
beim „Goldenen Bründl", noch solche 
Steine mehr. 
6. Das Hellkar. 
Auf dem äußersten Teile des von 
der Fuschlerache gebildeten Alluviums, 
das in den Mondsee vorgeschoben ist. 
befindet sich ein schöner, dichter Wald 
mit mächtigem Bestände, welcher das 
Auholz genannt wird. 
Oii diesem Zauberwalde sieht man 
einen kleinen See, der nie zufriert. Wer 
in später Abenddämmerung diesen Wal- 
deSschatten betritt, sieht, wie Orr lich¬ 
ter Herumtanzen und wie Venediger¬ 
männlein zwischen den Baumriesen, de¬ 
ren Tannenwipfel mehr dunkelgrün als 
die nahe Seetiefe sind, hin und hereilen 
und geschäftig ihren Verpflichtungen 
obliegen. Einige der Wichtel tragen 
Fischnetze zum bereitgehaltenen Boote, 
andere richten Fackeln zurecht, die ih¬ 
nen die Nacht erhellen sollen und wie¬ 
der andere tragen Holz ihren Behau¬ 
sungen zu. 
7 
Da mit etnemmale wird es still 
im Kreise der Geschäftigen, sie blicken 
nach dem Berge, wohin ihr Führer 
deutet und sehen im Walde, der sich ge¬ 
gen die Drachenwand hinzieht, ein Weib, 
welches winkt und lockt. Sie ist halb 
weih. halb schwarz gekleidet, von rie¬ 
senhafter Gestalt und grimmigem Aus¬ 
sehen. Es ist Hel. die Königin, die auf 
dem nahen Hellkar (Helkar) wohnt und 
den Fenriswolf und die Midgardschlan¬ 
ge zu Geschwistern hat. 
Sie blickt unverwandt herüber aus 
den dunklen Wald zu ihren gleichgeklei¬ 
deten Genossinnen, die unter der Wur¬ 
zel einer mächtigen Esche als Nomen 
hausen. 
On das Reich und zur Wohnung 
der Riesentochter Hel, auf das Hellkar. 
führen zwei Wege. Neun Oahre braucht 
man, um dahin zu gelangen. Sie sitzt 
in einer düsteren Höhle auf einem 
Thron von Knochen und Schädeln; um 
sie herum ist alles still und traurig. 
Kommt ein Guter, so wird er in einen 
Saal geleitet, wo Betten stehen, die 
mit Gold bedeckt sind, er trinkt Met 
und genießt die Tage in Wonne. Böse 
aber gelangen in ein Land der Finster¬ 
nis und der Schrecken, aus dem nur 
Wehklagen und Schmerzensschreie zu 
vernehmen sind. Ein reihender Wild- 
bach, in den sie stürzen, führt Schwer¬ 
ter. Schlangen und Leichen mit und 
vom Drachenstein, der nahen Felswand, 
kommen geflügelte ilngeheuer. blutgie¬ 
rige Drachen herüber, um sie zu pei¬ 
nigen. Oft, besonders aber in finste¬ 
ren Nächten, ertönt das Wehgeschrei, 
das bis St. Lorenz und sogar bis Monv- 
see dringt. 
7. Der wilde Oäger. 
On St. Lorenz und Plomberg hat 
sich die Sage vom Totenheere des Al¬ 
ten in den Bergen bis heute noch leb¬ 
haft erhalten. 
Sobald das wilde Gjaid aus den 
Schluchten des Drachenfteins durch die 
Wälder und über die Felder und 
Bauerngehöfte gegen St. Lorenz jagt, 
braust es in den Häusern, und der 
Wind rüttelt in den Fenstern und Tü¬ 
ren. Wer dem wütenden Heere in den 
Weg kommt, wird in das Treiben mit 
fortgerissen und muh mittollen bis zum 
Weltenuntergange. 
Om Fichtenwalde, der sich bis in 
die Klüfte des Gebirges hineinzieht, kann 
man an den Schnittflächen der gefällten 
Bäume drei Kreuze bemerken, die von
	        
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