Volltext: Sagen und Legenden aus dem Mondseelande

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scheinungen in Häusern lassen sich durch 
eine unübersehbare Legion von Bei¬ 
spielen erhärten; sie bewegen sich zwi¬ 
schen leisem Klopfen, stillem Seufzen 
und heftigem Türenschlagen, ja Be¬ 
schädigungen an Möbeln, die eine ganz 
außerordentliche Physische Kraft erfor¬ 
dern würden, in allen Graden. Sie 
Bleiben auch keineswegs bei Hörbarem 
stehen, wissen vielfach von sichtbarem 
Spuk zu erzählen. 
Wo immer aber von einem geschul¬ 
ten Metophysiker Erklärungen ver¬ 
sucht worden sind, gingen sie dahinaus, 
daß sich durch starke Leidenschaften erd- 
gebundene Seelen ihren noch im Phy¬ 
sischen Körper lebenden Mitmenschen 
mitteilen wollten, sei es um deren Hilf? 
zur Erlösung zu erlangen, sei es, sie zu 
warnen, oder sie zur Ausführung eines 
heftigen guten oder bösen Wunsches zu 
gewinnen, mit dem der vielleicht durch 
einen plötzlichen Unglücksfall aus dem 
Leben Geschiedene noch behaftet ist, und 
zu dessen Erfüllung er die grobe Ma¬ 
terie dieser unseren Augen sichtbaren 
Welt nicht entbehren kann. 
Das wilde Gjaid. 
Zum lieferen Verständnis des We¬ 
sens der wilden Oagd muß titctn sich 
erinnern, daß die Alten den Götter* 
Himmel sich mit guten Geistern, die ohne 
Grauen verehrt wurden, bevölkert dach¬ 
ten. Keine Rede ist so unsinnig und 
falsch als die Phrase vom „finsteren 
Heidentum". Als dann allmählich das 
Christentum bekannt wurde, haben un¬ 
sere Altvordern (Grimm's Mythologie 
S. 870) durchaus nicht plötzlich und un¬ 
vermittelt, sondern erst in langer gei¬ 
stiger Entwicklung ihren Göttern ent¬ 
sagt. Der alte Gott verlor sein zu¬ 
trauliches Wesen und ging allmählich 
in den Begriff einer finsteren, schrei¬ 
tenden Gewalt über, welcher aber immer 
noch eine gewisse Kraft verblieb. Da 
nun die Germanen eine reine Aaturre- 
ligion hatten, und die kosmischen Vor¬ 
gänge am Himmel, insbesonders Son¬ 
ne, Mond und Sterne genau beobach¬ 
teten, so haben sie selbstverständlich die 
Zeit der Sonnenwenden in ihrem Kult», 
ganz besonders gefeiert. Die Winter¬ 
sonnenwende, die uns hier allein an¬ 
geht, ist bekanntlich meist von schwe¬ 
ren Stürmen begleitet, die den Aus¬ 
gleich in der gestörten Ratur wieder 
herzustellen haben. Darum hat man das 
wütende Heer, das ursprünglich als eine 
aus Gleichgewicht und Ruhe gebrachte 
Schar von sichtbaren und wirklichen Dä¬ 
monen bekannt war, in den Zeiten des 
Verfalls des Heidentums mit dem 
Sturmwinde identifiziert. On dieser 
Form hat sich der Glaube an die wilde 
Jagd bis heute erhalten. Wenn der¬ 
jenige, über den die wilde Oagd geht, 
sich ganz zur Erde niederlegen muß, 
so wird man dies am besten mit dem 
Tun jenes Wanderers vergleichen, der 
in der arabischen Wüste sich platt auf 
den Boden legt, wenn der giftige Wind 
Samum über ihn hinwegfegt. Der Glau¬ 
be an die wilde 3agb ist allen Völ¬ 
kern gemeinsam, und ist nur in den 
tropischen Ländern an den Beginn oder 
das Ende der Regenzeit verlegt. 
Trotz dieser sozusagen naturwissen¬ 
schaftlichen Auffassung der Vorgänge 
in der Geisterwelt, hat sich noch die Er¬ 
innerung an den metaphysischen Cha¬ 
rakter der wilden Qagd nicht ganz ver¬ 
loren. Denn die Kreuze, welche der 
einfache, unwissende Holzknecht in den 
Baumstamm einketbl, um sich vor dem 
„wilden Gjaid“ zu schützen, sind nichts 
anderes als die allen Drudenzeichen. 
3tt diese Kategorie sind das bekannte 
Pentagramm und das in neuerer Zeit 
wieder in Gebrauch gekommene Haken¬ 
kreuz einzureihen. Es hat hier also ein? 
seltsame Vermischung naturwissenschaft¬ 
licher Beobachtung und mystischer Auf¬ 
fassung stattgefunden, und der alle heid¬ 
nische Brauch hat einen dünnen christ¬ 
lichen Firniß erhalten. 
Die KrebsentrLnker. 
Zum richtigen Oberöfterreicher ge¬ 
hör! eine gute Partien Schalkheit, 
Schlauheit und Reiz zum Recken. „Land- 
letisch“ nennt man dies „Fernzen". Was 
die einzelnen dabei zu leiden haben, 
passiert natürlich auch ganzen Orten und 
es gibt in Oberösterreich zahlreiche Ge¬ 
schichten, in denen einzelnen Ortschaf¬ 
ten recht übel mitgespielt wird. Daß 
die guten Mondseer sogar mit einem 
Krebs gekränkt wurden, ist allerdings 
eine besondere Bosheit, die ihnen wahr¬ 
scheinlich ihre Rachbarn vom Alter see 
antaten. Den Letzteren wurden ja auch 
ähnliche, recht bissige Geschichten an¬ 
gedichtet. Aber der Krebs hat auch 
noch eins andere Bedeutung. Er galt 
nämlich (S. 519) als das Symbol eines ' 
Wasserdämons: mit seinen Scheren sucht 
er die Beute zu umfangen. Solange der 
See ruhig ist, denkt man sich das böse 
Prinzip gebunden, wenn aber der Sturm 
die Wolken peitscht, dann ist der Leu-
	        
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