Volltext: Sagen und Legenden aus dem Mondseelande

I 
II. Legenden. 
1. Der heilige Wolfgang. 
Aus den Fluten des grünen Aber¬ 
sees erhebt sich ein herrliches Felsen- 
gebirge, der Falkenstein. Er ist dem 
Schafberg vorgelagert und stürzt senk¬ 
recht in den genannten See ab. Dort 
oben liegt eine grüne Matte, mit bunten 
Blumen Imrchtoiil-, deren Blütenköpfchen 
unter dem Schmelzwasser, das sich im 
Frühlinge von des Schafbergs Höhen 
sammelt, uns zuwinken. Anten aber 
schäumt in jauchzender Pracht des Hoch¬ 
gebirges der wogende Alpensee. umsäumt 
vom dunklen Tannengrün und freundli¬ 
chen Gehöften. Das Feksgemäuer grüßt 
zum Herrn hinauf, indes die Spitzen 
des Schafbergs und der umliegenden Hö¬ 
hen im kleinen verträumten Krotensee 
sich spiegeln. Wahrlich ein idyllischer 
Punkt, voll Gedankentiefe und mysti¬ 
schen Zaubers, wie sich kein zweiter 
im ganzen Bereiche des Salzkammer¬ 
gutes findet, ein Ort. geschaffen zur 
Einkehr in fich selbst, ein Platz, wo man 
in Ruhe und Stille heilige Zwiesprach 
mit seinem Gott pflegen kann. 
Da lebte, wie eine fromme Mond- 
seer Legende berichtet, im 10. Jahr¬ 
hunderte der heilige Wolsgang im Bun¬ 
de mit einigen Gefährten als Klausner. 
Er. der tatkräftige Bischof von Regens¬ 
burg, war nämlich als solcher auch In¬ 
haber des Michaelsklosters in Mansee, 
das wieder am Abersee große Desit-i 
zungen inne hatte. Zur Zeit des Bür¬ 
gerkrieges soll er 978 seinen oberhirt- 
lichen Stuhl verlassen, sich in die Abge¬ 
schiedenheit der bayrischen Alpen z-irück- 
gezogen, in seinem Stifte zu Mondsee 
Aufenthalt genommen und fünf Oahre 
lang als Waldbruder am Falkensteine 
gelebt haben. 
Das reizende Kirchlein daselbst, das 
an die Felsen angebaut ist, jet seine 
Wohnung gewesen, und heute noch ge¬ 
denkt jeder Pilger des glaubensstarken 
Mannes, der hier gehauset, wenn er 
das Glöcklein erklingen läßt und ihm das 
bedeutungsvolle Läuten seine Herzens¬ 
wünsche erfüllen sollte, sobald er mit 
reinem Herzen und warmem Gemüte 
darum fleht. 
Es ist ihm, als hörte er die psalmv- 
dierende Stimme des Heiligen und die 
harte Zwiesprach des großen Bischofs im 
Kampfe mit dem Satanas. Hoch oben 
aber klingt und singt es aus des Him¬ 
mels Hohen: 
(Esaias 52, V. 7.) 
Ölt dieser Kirche sieht man eine 
Rische im Felsen, die von den größten 
und stärksten, den kleinsten und hager¬ 
sten Menschen gleich leicht durchbrochen 
werden kann, — die einstige Ruhe¬ 
stätte des bischöflichen Anachoreten. Hier 
arbeitete er mit seinen Gehilfen, hier ro¬ 
dete er den Wald und diente im from¬ 
men Gebete seinem Herrn und Gott. 
Drüben aber kriechen feuchte Refrel 
über Wiese und Hochwald und der 
Böse lauert aus eine Gelegenheit, 
den heiligen Büßer zu verderben. 
And als Wolfgang einst seinen Weg 
zwischen den Felsen zu nehmen ge¬ 
zwungen war, schlug Satanas die 
Wände zusammen, daß es dröhnte. Der 
fromme Klausner aber fpreitete seine 
heiligen Hände aus und die Felswand 
wich zu beiden Seiten auseinander und 
zeigte den Abdruck seiner wehrenden 
Glieder. And als der Teufel mit ihm 
einen Bertrag schließen wollte und von 
ihm ein Geschöpf verlangte, so versprach 
ihm Wolfgang das erste lebende Weien 
am morgenden Tage. And siehe, durch 
des Heiligen Gebet, das die ganze Rächt 
währte, geschah ein Wunder und es 
rannte ein grimmer Wolf aus dem 
Tannendunkel gegen Wolfgangs Klau'je 
Das war das erste Geschöpf am jun¬ 
gen Morgen und St. Wolfgang übergab 
nach vereinbartem Versprechen die Bestie 
dem Satan, der zornsprühend vom wil¬ 
den Tiere Besitz ergriff und mit ihm un¬ 
ter Gebrüll und Toben den Abhang 
hinabstürzte. I
	        
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