Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

214 Die Kämpfe an der Westfront bis Mitte Januar 1915 
Die italienischen Freiwilligen 
Der Journalist Ravasini, einer der Getreuen Ricciotti Garibaldis, berichtet im 
„Messaggero" über seine Erfahrungen und Eindrücke bei den in Frankreich stehenden 
Garibaldianern. Er kam zunächst nach Montelimar, um sich Peppino Garibaldi, 
dem in den zwanziger Jahren stehenden „General" zur Verfügung zu stellen, der dort 
die Sammlung seiner Scharen erwarten wollte. Anstatt einer Armee von Rothemden 
fand jedoch Ravasini nur das erste Regiment der Fremdenlegion vor, in das man die 
italienischen Freiwilligen und zwar in französischer Uniform gesteckt hatte; und an 
Stelle des Generals Peppino fand er den Oberstleutnant Garibaldi in Zivil, dem die 
Franzosen es offenbar schwer gemacht hatten, die alten Traditionen seines Großvaters 
unverändert wieder aufzunehmen; denn seine Erzählung klingt, wie sie Ravasini wieder 
gibt, nicht eben begeistert: Peppino kam mit seinem Bruder Ciotti bei Ausbruch des 
Krieges aus Amerika, um Frankreich seine Dienste anzubieten; diese nahm die fran 
zösische Regierung zwar gerne an, aber sie weigert sich, die Ueberfahrtskosten für 
tausend Garibaldianer zu zahlen, die in Amerika auf Peppinos Ruf warteten; auch 
erlaubte sie die Bildung eines selbständigen Korps nicht, wie es der Alte 1870 mit 
eigenem Kommando und eigener Uniform befehligt hatte, sondern bMgte nur die Er 
nennung garibaldinischer Offiziere zu. Ueber die Verwendung der Truppen wurden 
Verhandlungen mit der republikanischen Partei in Italien geführt, die zwei Abgeordnete 
nach Lyon und Bordeaux schickte und die sich bemühte, eine garibaldinische Expedition 
nach der Adria uttd eine Sendung auf österreichischen Boden zustande zu bringen. Die 
französische Regierung kümmerte sich jedoch nicht im geringsten um die eigenen poli 
tischen Ziele der Garibaldianer, sondern schickte italienische Freiwillige aus Lyon nach 
Marokko und andere aus Avignon in die Marneschlacht, wo am 4. Oktober 1914 nach 
Ravasini vierhundert gefallen sein sollen. 
Die Enttäuschung über die Behandlung der Freiwilligen war groß: Unterricht und 
Kommando sind französisch. „Zuviel Kaserne und zuviel Disziplin", stellt Ravasini fest; 
auch der Zwang, in der Kaserne zu schlafen, fällt den Leuten schwer, die einer roman 
tisch-idealistischen Abenteuerlust gefolgt sind, sich nun aber als Söldner einer fremden 
Sache verbunden sehen. Die Löhnung ist fünf Centimes täglich oder alle drei Tage ein 
Päckchen Tabak für fünfzehn Centimes. Der Zulauf ist unter diesen Umständen nicht 
sehr groß und wird es nach Ravasinis sauer-süßem Bericht noch weniger sein. Hundert 
fünfzig sind bisher aus Italien gekommen, darunter die meisten „Offiziere". Ravasini 
selbst ist wieder nach Rom zurückgekehrt und hat das Schwert mit der Feder vertauscht. 
Noch manch anderer ist in den schmutzigen Kaschemmen Marseilles zur Besinnung 
gekommen und enttäuscht heimgekehrt. Von den übrigen hörte man monatelang fast 
nichts; kaum eine flüchtige Kunde von ihnen drang über den Exerzierplatz hinaus, wo 
sie von französischen Unteroffizieren gedrillt wurden. Endlich kam auch für sie der Tag 
der Feuertaufe. Schon beim ersten Treffen quoll aus tausend Wunden heißes 
Jtalienerblut. Und nun begab sich das Seltsame, daß mit einemmale die Presse Italiens, 
die im vergangenen Herbst den Garibaldinerzug nicht sehr ernst genommen hatte, das 
Wort von der „Heldenschar" prägte und in epischen Schlachtberichten die italienischen 
Ruhmestaten im Argonnerwalde verkündete. Die Bewunderung erreichte die 
Höhe, als der Tod Bruno Garibaldis gemeldet wurde, dem bald mit anderen Unseligen 
fein Bruder Costante im Tod nachfolgte. 
Daß die Franzosen die Italiener in den Argonnen buchstäblich als Kanonenfutter 
benutzten, geht u. a. aus einem Feldpostbrief hervor, den das „Berliner Tageblatt" 
veröffentlicht hat: „Du wirst in den dortigen Zeitungen Wohl auch schon über
	        
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