Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Deutschlands wirtschaftliche u. soziale Organisation während des ersten Kriegshalbjahres 33 
Deutschlands wirtschaftliche und soziale Orga 
nisation während des ersten Kriegshalbjahres 
Ein Ueberblick von Erich Dombrowöki 
Das wirtschaftliche Leben Deutschlands verlief im Juli 1914 in durchaus normalen 
Bahnen. Die leichte wirtschaftliche Depression der vergangenen Monate schien über 
wunden, und eine neue Aufwärtsbewegung bereitete sich vor. Das österreichische Ulti 
matum an Serbien schreckte dann aber in der letzten Juliwoche die Gemüter jäh auf, 
und die Börsen der ganzen Welt, von jeher die feinsten politischen Gradmesser, fingen 
an bedenklich unruhig zu werden. Diese Unruhe artete schließlich in eine furchtbare 
Panik aus, als sich die politische Lage von Tag zu Tag verschlechterte. Dadurch, daß 
das große Publikum kopflos seine Wertpapiere auf den Markt warf, um sie auf alle 
Fälle los zu werden, fielen die Kurse nicht nur der an sich schon empfindlichen Jndustriepapiere, 
sondern auch der stabilen Renten so sprunghaft schnell, wie man es bisher noch niemals 
erlebt hatte. Gleichzeitig trat eine vorübergehende Panik der Sparer ein, und das er 
regte Publikum entzog in weitem Umfange das Goldgeld dem Verkehr, um es sich, über 
ängstlich, aus alle Fälle zu Hause aufzubewahren. Die Folge davon war eine Bargeld 
not, die durch die überstürzte reichliche Eindeckung des kleinen Publikums mit Lebens 
rnitteln aller Art noch verschärft wurde. Am letzten Julitage brach dann die Katastrophe 
über Europa herein. Der Krieg aller gegen alle war unvermeidlich geworden. 
Die bange Frage tauchte nun auf: Wie wird Deutschland sich den Kriegs 
verhältnissen wirtschaftlich anpassen? Wird seine Volkswirtschaft gerüstet 
sein wie sein Militär? Drei Momente sind für die deutsche Volkswirtschaft charakte 
ristisch: Die gewaltige Abhängigkeit vom Auslande, die z. B. im Jahre 1913 
in einer Einfuhr von Nahrungsmitteln, Rohstoffen und sonstigen Waren in einer Ge 
samtsumme von über zehn Milliarden Mark zum Ausdruck kam; die große kredit 
wirtschaftliche Grundlage unserer kommerziellen und industriellen Entwicklung 
und das mächtige sozialpolitische Gebäude, zu dem wir nun schon seit über drei 
Jahrzehnten Stein an Stein gefügt haben. Der Krieg isolierte Deutschland mit einem 
Schlage und schnitt es zunächst von aller Welt ab. Die deutsche Volkswirtschaft war 
ganz auf sich allein gestellt. Millionen von Arbeitskräften wurden ihr durch die Mobil 
machung entzogen. Aus der einen Seite kam jetzt durch die Verhängung des Kriegs 
zustandes so etwas wie der Geist des alten absolutistischen Militär- und Polizeistaates 
vergangener Jahrhunderte wieder zu seinem Rechte, andererseits wurden mit einem Male 
moderne sozialistische Forderungen wie selbstverständlich in die Tat umgesetzt. 
Versuchen wir nun im einzelnen das Chaos der sich überstürzenden Ereignisse der 
ersten Kriegsmonate auf wirtschaftlichem Gebiete zu entwirren und uns über die 
völlige Neuorientierung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse klar zu werden. Die Auf 
regung der ersten ungewissen Tage legte sich sehr bald, und die wirtschaftliche Mobil 
machung Deutschlands vollzog sich wie die militärische mit einer überlegenen Ruhe und 
Sicherheit, wie man es kaum erwartet hatte. Auch das Vertrauen der breiten Masse 
zu unserem Wirtschaftsorganismus in all seinen Teilen und Teilchen kehrte rasch zurück. 
Zunächst galt es, die Ernährung des deutschen Volkes sicher zu stellen. Dem 
diente ein Erlaß des Bundesrates, der jegliche Ausfuhr von Getreide, Mehl und 
Futtermitteln sowie Tieren und tierischen Erzeugnissen verbot. Gleich darauf fielen die 
hohen Schutzzölle auf die wichtigsten Nahrungs- und Genußmittel, und die Einfuhr 
verbote oder Einfuhrbeschränkungen von Fleisch wurden aufgehoben. Sodann 
Böllerkrieg. III. g
	        
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