Volltext: Der Völkerkrieg Band 1 (1 / 1914)

Wirtschaftliches 
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nicht notwendig gewesen sei, die Zahlung von Metallgeld aufzuheben, daß England in 
der Lage sei, die Notlage zu übersehen, ohne im geringsten mit seiner gegenwärtigen 
Basis in Widerstreit zu kommen. Im weiteren Verlauf seiner Rede gab der Schatzkanzler 
zu, daß Gefahr vorhanden sei, daß einzelne Personen in selbstsüchtiger Weise versuchen 
würden, Gold anzusammeln und zu verstecken, um sich in eine bessere Lage als ihre 
Nachbarn zu versetzen. Jeder, der so handle, füge seinen Volksgenossen großen Schaden 
zu; jeder, der aus eigensüchtigen Motiven oder übertriebener Vorsicht oder aus einem 
anderen gemeinen Antriebe versuche, Gold aus den Kassen herauszunehmen, um es sich 
zu seinem eigenen Gebrauche anzueignen, helfe den Feinden seines Vaterlandes und er 
helfe ihnen wahrscheinlich wirksamer, als wenn er es mit Waffen täte. Was die Post 
noten anbelange, so wünsche man selbstverständlich nicht, daß jemand an einem Schalter 
eine aufnehme, um sie sofort am andern Schalter in Gold einzuwechseln. (!) Das am 
Montag, den 3. August, proklamierte begrenzte Moratorium sei erlassen mit 
Rücksicht auf die besondere Notlage, die am Dienstag morgen aus dem Wechselmarkte 
entstanden sei. Jetzt schienen Gewerbetreibende wie auch Fabrikanten und die Bank 
darin übereinzustimmen, daß das Moratorium weiter ausgedehnt werden sollte. 
Andernfalls würde man nur einen gewissen Teil des Volkes von der Verpflichtung zur 
Zahlung seiner Schulden entlasten, während zu gleicher Zeit andere Leute, die sich auf 
sie verlassen, in Schwierigkeiten bleiben würden. Natürlich müsse es Ausnahmen geben. 
Die Regierung z. B. müsse ihre Schulden, Pensionsgelder, Versicherungsgelder usw. 
bezahlen, auch Löhne müßten natürlich ausgenommen werden. 
16. August. 
Die englische Regierung hat gegenüber der Bank von England, um dieser die Fort 
setzung ihrer Diskontierungstätigkeit zu ermöglichen, die Garantie gegen jeden Verlust 
auf die von der Bank diskontierten Wechsel, soweit diese vor dem 4. August akzeptiert 
sind, übernommen. Die Bank von England berechnet für die durch das Wechselmora 
torium geschaffene Prolongationsfrist 2°/ 0 über ihren offiziellen Satz, zur Zeit somit 8°/ 0 . 
Der erste Geldaufmarsch 
von Leo Zolles 
Mit bewundernswerter Raschheit hat sich im Deutschen Reich die finanzielle Mobil 
machung vollzogen. Während in England eine geradezu elementare Angst vor den 
wirtschaftlichen Folgen des Krieges herrscht, ist bei uns alles mit größter Ruhe und ohne 
Anwendung beängstigender Mittel vor sich gegangen. Die Bank von England hat ihren 
Diskontsatz in einer nie geahnten Hast auf 10 Prozent erhöht; die Reichsbank ist bei 
6 Prozent stehen geblieben. In England ein Wechselzinsfuß, den das Volk wohl noch 
nie gesehen hat; im Deutschen Reich ein Banksatz, der nichts Erschreckendes an sich hat, 
und den die deutsche Wirtschaft ein ganzes Jahr lang trug, ohne irgendwelchen Schaden 
zu nehmen. Aus dem Vergleich mit anderen Ländern lernt man die Stärke des deut 
schen Kapitals kennen. Wer geglaubt hat, daß die Betrachtungen über die Finanz 
bereitschaft in Deutschland nur theoretischen Wert hätten, sieht sich durch die erste prak 
tische Probe in allen seinen Bedenken geschlagen. Während die Franzosen mühsam eine 
Anleihe von 800 Millionen Frank aufgebracht haben, die sich schließlich als ein eklatan 
ter Mißerfolg gab, ist in Deutschland nicht nur die Milliarde für die Rüstungen, son 
dern ein Kriegskredit in Höhe von 5 Milliarden festgesetzt worden. Schon das Ergebnis 
der im Jahre 1913 aufgestellten Finanzreform hat die unbestreitbare Ueberlegenheit der 
deutschen Kapitalkräfte gezeigt. Die Franzosen haben zum letztenmal, in den Tagen der 
Marokkokrisis, vor genau drei Jahren, einen Triumph über die deutsche Finanz aus- 
Völkerkrieg. I. 5
	        
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