Volltext: Der Völkerkrieg Band 1 (1 / 1914)

54 Der Einbruch der Russen in Nordostdeutschland 
Bald darauf hätte ihn selbst das Schicksal ereilt, wenn er es nicht vorgezogen hätte, 
nach verhältnismäßig kurzen Kämpfen der zweiten Umklammerung zu entgehen, die 
Generaloberst v. Hindenburg an den masurischen Seen vorbereitet hatte. Man ver 
gegenwärtige sich die Stellung der Armee Rennenkampf beim Beginn der 
Schlacht: sein rechter Flügel stand in der Gegend von Allenburg, der linke lehnte sich an 
den Mauersee bei Angerburg an, während in Gerdauen in einem vorgeschobenen 
stumpfen Winkel die größte Truppenmasse in starker Stellung lag. Durch vorzügliche 
Fliegermeldungen von diesem Aufmarsch unterrichtet, wurde auch von deutscher Seite 
eine starke Truppenmacht auf Gerdauen angesetzt, während natürlich zugleich die ganze 
Frontlinie angegriffen wurde. Gleichzeitig war der linke feindliche Flügel durch deutsche 
Kavallerie und weitere Truppenmassen zwischen den Seen hindurch umgangen und 
hier zunächst ein im Anmarsch befindliches russisches Korps geschlagen worden. Dadurch 
wurde Rennenkampf bekannt, daß sein linker Flügel, den er durch die Seen völlig gedeckt 
glaubte, in Gefahr war, umklammert zu werden. Und da inzwischen auch seine Front 
stellung erschüttert war, beschloß er den Rückzug auf der für ihn einzig möglichen Ab 
marschlinie Insterburg—Gumbinnen—Stallupönen. 
Am 6. September hatte der Anmarsch der Armee Hindenburg gegen die russische 
Wilnaarmee begonnen, und am 10. September ging die erste deutsche Siegesmeldung in 
die Welt, ohne daß der tagelang anhaltende erbitterte Kampf damit eine Unterbrechung, 
geschweige denn einen Abschluß gefunden hätte. 
Dem Entscheidungskampf in der Schlacht bei Allenburg—Nor- 
denburg—Angerburg am 10. September hat der Kriegskorrespondent der „Nord 
deutschen Allgemeinen Zeitung", Rolf Brandt, als Augenzeuge beigewohnt. Er berichtet: 
„Die deutsche Armeeleitung hatte eine Zange gelegt, indem sie starke Truppenmassen 
über Angerburg hinaus durch die Seenkette seitlich gegen den südlichen russischen Flügel 
Vorgehen ließ. Die deutsche Kavallerie war in den Rücken der Russen angesetzt. Anzu 
nehmen war, daß auf dem rechten russischen Flügel die völlig unwegsamen Wälder des 
Frisching die Operationen sehr erschweren würden. Das war, grob umrissen, die all 
gemeine militärische Lage, als wir am Donnerstag früh auf der Rastenburger Straße 
nach dem südlichen Flügel des Schlachtfeldes fuhren, in der Richtung auf Drengfurt, 
von wo vermutlich das Einwirken des Flankenangriffs zu beobachten war.... 
Wir halten an dem neuen Kirchhof von Drengfurt; ein paar hundert Meter vor uns 
sehen wir eine schwere deutsche Batterie im Feuer. Ich eile nach vorn und komme noch 
eben recht, um zu sehen, wie der Feuerstrahl aus dem Eisenrohr zuckt. Die Mannschaften 
stehen rauchgeschwärzt hinter den Erdwällen. Es war der letzte Schuß der Batterie aus 
dieser Stellung. Im gleichen Augenblick kommt der Befehl zum Positionswechsel. Die 
schweren Gäule preschen den Berg hinauf, in einem Nu stehen die mächtigen 15 om- 
Haubitzen hinter ihren Protzen. Die sechs Pferde ziehen an, die Peitschen klatschen 
leicht und in vollem Galopp geht es hinunter und — vorwärts. Wir rücken vor! 
Ich gehe die paar Schritte weiter bis zum Hügelrande, rechts an dem dort haltenden 
Korpsstabe vorbei, und stehe auf der Höhe des alten Friedhofes. Ungeheuer entrollt 
sich vor meinen Augen das Panorama des Schlachtfeldes. In weitem Halbkreis lodern 
Dörfer und Gehöfte in hellen Flammen. An allen Punkten des Horizonts ziehen 
schwarze Schwaden, die der Wind breit zur Seite legt. Man sieht deutlich trotz der 
Sonne, die durch den Dunst glüht, die roten springenden Feuer. Eben geht Tiergarten 
in Flammen auf. Es scheint die Folge der Arbeit unserer Haubitzenbatterie zu sein; 
Rohenstein brennt, Prinowen brennt. 
Längs der Ufer des Rehsauer Sees zu unseren Füßen jagt deutsche Artillerie nach 
vorn. Sie durchquert das breite Tal, und bald sieht man sie nördlich des Hügels 150,
	        
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