Volltext: Der Völkerkrieg Band 1 (1 / 1914)

44 Der Einbruch der Russen in Nordostdeutschland 
stillen, kulturellen und produktiven Arbeit — doch werft die Waffen zur unnützen 
Gegenwehr von Euch, vergießt nicht Ströme unnützen Blutes. Der Russe ist großmütig 
und friedensliebend; wir werden keine Rache üben für Eure barbarischen Gemetzel in 
Kalisch und Czenstochau und Eure Unterdrückungen der friedlich arbeitenden Landes 
bevölkerung. Wir kämpfen gegen das deutsche Heer und nicht gegen das Volk. Die in 
Deutschland lebenden Polen sind uns slawische Anverwandte. Seid unbesorgt! Eure 
Familien, Weiber und Kinder, Euer Hab und Gut sind für uns unantastbar. Der 
friedliebenden Bevölkerung schlagen wir vor, sich ruhig und friedlich zu verhalten und 
reichen derselben unsere Hand. Legt Eure Waffen nieder, die Euch durch Euren Staat 
mit Gewalt in die Hände gedrückt worden sind! Gebt Euch gefangen! Die Russen 
nehmen sich der Gefangenen freundlich an und verfahren mit ihnen milde. Ein Ge 
fangener ist für uns kein Feind mehr. Verwundete werden von uns nicht niedergemetzelt." 
Sehen wir, wie es sich in Wahrheit mit der russischen Milde verhielt. 
Die Russen in den ostpreußischen Städten 
JndenStädten hielten die russischen Befehlshaber im allgemeinen auf st r e n g e 
Disziplin. Hier wurden auch vorzugsweise Eliteregimenter einquartiert, während 
man das flache Land den Kosaken überließ. Natürlich kamen auch in den Städten Aus 
schreitungen einzelner Soldaten vor, die aber meistens sofort von den Offizieren, je nach 
dem Grad der Verfehlung, mit Ohrfeigen, Stockprügeln oder Peitschenhieben bestraft 
wurden. Verschiedene derartige Fälle sind aus Angerburg, Allenstein und Gumbinnen 
bezeugt. Ein Beispiel für viele. Eine Offiziersköchin in Gumbinnen schreibt an ihre 
„Gnädige": „O, liebe Frau Baronin, einen Krieg kann man sich nur vorstellen, wenn 
man mitten drin gestanden hat. Am Montag schlugen russische Soldaten die Türe ein, 
ich hatte alle Zimmer zugeschlossen, nur mein Zimmer war auf. Da haben sie mir aber 
auch alles aus meinem Koffer genommen; ich schnell raus und habe mir Offiziere ge 
holt und gefragt, ob man sich so was gefallen lassen brauche. Ein russischer Soldat hat 
mich gepackt und hinter den Müllkasten geschleppt und als ich schrie, nahm er ein Rasier 
messer aus der Tasche und wollte mir die Kehle durchschneiden. Da kam ein russischer 
Offizier im Auto, sprang aus seinem Auto und schoß auf den Soldaten. Dann hat er 
einen Zettel an die Tür geklebt, daß in dem Haus der Kommandeur der 8. Ulanen 
wohnt, und er hat das Haus der Ehrenhaftigkeit der Russen anvertraut. Er sagte, nun 
könnte ich ganz ruhig sein; aber am anderen Tage kamen sie wieder; ich mir wieder die 
Offiziere auf der Straße aufgefangen und fragte, wer nun Obrigkeit in Gumbinnen sei; 
da sagte ein Major: „Rennenkampf ist Kommandant von Gumbinnen". Nun sagte ich, 
der Herr Major möchte doch auf das Haus aufpassen, ich wollte hin und mich beschweren. 
Also setzte ich dem Herrn Major einen Stuhl in den Garten, auch Frühstück, dann bin 
ich mit dem Herrn Hauptmann zum Kaiserhof gefahren; der Kommandant war noch 
nicht zu sprechen, da hat der Herr Hauptmann mir noch Kaffee bestellt, dann habe ich 
mich beim Kommandanten melden lassen, und wurde auch angenommen. Ich sagte, ob 
es ein deutscher Offizier nötig hätte, der im Krieg wäre und sein Eigentum nicht schützen 
könnte, von russischen Soldaten plündern zu lassen, und ob es die ruffische Behörde er 
laubte, daß mir der Hals abgeschnitten würde. Da sagte Herr Rennenkampf: „Nein, Sie 
sollen alle Rechte haben, die Sie bei den Deutschen hatten, wir sind auch Menschen. Und 
wenn Sie meinen, daß deutsche Offiziere ruffische Frauen und ihr Eigentum schützen, 
die russischen Offiziere schützen deutsche Frauen auch!" Ich habe dann zwei russische 
Posten Tag und Nacht vor unserm Hause gekriegt. Ich habe die beiden ja müssen ver 
pflegen, aber vorne haben die beiden aufgepaßt, und hinten ich."
	        
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