Volltext: Der Völkerkrieg Band 1 (1 / 1914)

42 Der Einbruch der Russen in Nordostdeutschland 
Die Russen in Ostpreußen 
Der russische Einmarsch 
Rußland hatte gegenOstpreußenzweiArmeen aufgestellt, bestehend aus elf 
erstklassigen Korps des stehenden Heers, zwei Schützenbrigaden, sechs Reservedivisionen 
und fünf Kavalleriedivisionen, darunter die Petersburger Garde und andere Elitetruppen, 
insgesamt etwa 650000 Mann. Der Feldzug begann wie gegen Oesterreich mit dem 
Einbruch starker Reiterschwärme. Sie wurden in zahlreichen kleinen Gefechten (I, S. 97 
bis 99) bis um die Mitte August von den deutschen Grenzschutz- und Landwehrtruppen 
zurückgehalten, so daß die deutsche Mobilmachung ungehindert vor sich gehen konnte. 
Inzwischen hatten sich hinter der vorgeschobenen Kavallerie die russischen Heere ge 
sammelt. Die hinter dem Njemen aufmarschierte Armee unter General 
v. Rennenkampf überschritt die Grenze und drang auf der Linie Eydtkuhnen—Königsberg 
langsam vor, da unsere Heeresleitung noch nicht über genügend starke Kräfte verfügte, 
um dem Feind, dessen Stärke sie erkundet hatte, mit sicherer Aussicht aus Erfolg entgegen 
zutreten. Die Kämpfe bei Stallupönen (I, S. 99), Wirrballen und Gumbinnen (II, 36) 
waren also Rückzugsgefechte, die trotz des Erfolgs den strategischen Plan nicht ändern 
durften. Am 21. August zogen die Russen in Gumbinnen, am 24. in Tilsit ein. 
Die Rückzugskämpfe im nördlichen Ostpreußen waren zum Teil sehr 
heftig und blutig. Das russische Gardskorps hat bei Gumbinnen schwer gelitten; unter 
den Gefallenen waren die russischen Prinzen Johann und Oleg Konstantinowitsch. Ein 
Ostpreuße erzählt: „Die Kämpfe bei uns im Norden sind ungeheuer schwer und erbittert 
gewesen und haben nicht wenig Blut gefordert. Auch auf unserer Seite sind große Ver 
luste zu beklagen, aber weit mehr hat doch der Russe bluten müssen. Bei Stallupönen 
kamen zeitweise 60 Russen auf einen Deutschen, so daß die Unseren bei einer solchen 
enormen Uebermacht natürlich zurückweichen mußten. Zwischen Insterburg—Stallu 
pönen—Pillkallen und der Bahnlinie Insterburg—Tilsit wurde tagelang schwer gerun 
gen, bis dieses Terrain den Russen überlassen blieb, aber deren Verluste waren dafür ge 
waltig. Besonders schwer hat hier Rußlands Garde gelitten; auch die beiden Leibkosaken 
regimenter sind bei Kraupischken in einem für uns günstigen Terrain durch Maschinen 
gewehre wie mit der Sense schockweise niedergemäht worden. Beide Regimenter hatten 
durchweg Schimmel, die nach der Schlacht auf der Wiese dicht wie Schnee ausgesät lagen. 
Aus der Linie von Kraupischken nach Stallupönen—Gumbinnen, wo es sehr, sehr heiß 
zugegangen ist, lagen die Toten nicht etwa einzeln herum, sondern in großen Bergen. 
Chaussee- und Schützengräben waren gehäuft mit Toten, so dicht angefüllt, daß man 
nicht mehr seinen Fuß dazwischen setzen konnte. Ja, an vielen Stellen standen sie 
sogar in den Gräben eng zusammengepfercht aufrecht, so daß Vorübergehende glaubten, 
es wären Lebende, die ihr Gewehr nur lässig im Arm hielten. Kam man aber hinzu, 
dann sah man eine so dichte Mauer aus Toten, daß für keinen mehr Platz umzufallen 
war. Ebenso sind auch die russischen Gardedragoner zwischen dem Feuer unserer Maschinen 
gewehre vollständig zusammengebrochen. Wir können von Glück für uns sagen, daß der 
Feind eine sehr schlechte Munition für die Artillerie hatte. In den Artilleriekämpfen bei 
Walterkehmen haben die Russen gut geschossen, und ihre Granaten kamen wie Regentropfen 
herab, aber dennoch war die Wirkung gering, denn wenn nur zehn Prozent von ihnen 
krepieren, und das ist Tatsache, kann von einem nennenswerten Erfolge keine Rede sein. 
Nach dem Rückzug formierten sich unsere Gruppen dann hinter der Deime auf der 
Linie Tabiau—Labiau. Hier haben die Russen schwere Opfer bringen müssen, um am 
Ende doch nichts zu erreichen. Bei Labiau wurde die Eisenbahnbrücke durch uns ge
	        
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