Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

172 Italien und der Vatikan während des dritten Kriegshalbjahres 
30. September 1915. 
Der Vizeadmiral Camillo Corsi ist zum Marineminister ernannt worden. 
Camillo Corsi wurde, nach Angaben der „Neuen Zürcher Zeitung", 1860 in Rom geboren 
und gehört seit 1879 der Marine an. Beim Ausbruch des italienisch-türkischen Krieges wurde ihm 
mit dem Grade eines Konteradmirals das Amt des Untergeneralstabschefs der Marine übertragen. 
Zugleich führte Corsi das Kommando der ersten Kreuzerdivision und hatte Gelegenheit, bei der Be 
setzung einiger ägäischer Inseln eine Rolle zu spielen. In dem gegenwärtigen Kriege wurde Corsi 
zum Vizeadmiral und zum Chef des Generalstabes der Marine (nicht mit dem Oberkommando, das 
bekanntlich in den Händen des Herzogs der Abruzzen liegt, zu verwechseln) ernannt und befehligte 
das erste Geschwader (d. h. die Dreadnoughts „Duilio", „Cavour", „Giulio Cesare", „Leonardo da 
Vinci" und „Dante Alighieri"). Für seine neue Tätigkeit ist Admiral Corsi insofern trefflich vor 
bereitet, als er mehrmals wichtige Stellen im Marineministerium bekleidete und dem Reorganisator 
der italienischen Marine, Admiral Mirabelli, als Kabinettschef mehrere Jahre zur Seite stand. 
Die italienische Kriegserklärung an die Türkei und ihre Gründe 
Der italienische Botschafter Marquis Garroni überreichte der Pforte am 20. August 1915 eine 
Note, worin erklärt wird, daß Italien sich als mit der Türkei im Kriegszustände befindlich be 
trachte. Zugleich hat der Botschafter seine Pässe verlangt. 
Der Schutz der italienischen Untertanen in der Türkei ist von den Vereinigten Staaten von Nord 
amerika, jener der türkischen Jmeressen in Italien vom spanischen Botschafter übernommen worden» 
Als Gründe der Kriegserklärung an die Türkei hat die italienische Regierung in 
einem am- 22. August 1915 von der „Agenzia Stefani" veröffentlichten Rundschreiben an ihre 
Vertreter im Auslande folgendes angegeben. Zunächst habe die türkische Regierung den Lausanner 
Friedensvertrag alsbald nach seiner Unterzeichnung verletzt und diese Verletzungen ohne Unter 
brechungen fortgesetzt. Sie habe niemals ernsthafte Maßregeln getroffen, die die Feindseligkeiten 
in Libyen sofort hätten beendigen können, wie sie es feierlich versprochen habe, und habe nichts für 
die Freilassung der italienischen Kriegsgefangenen in Tripolitanien getan. Die in der Cyrenaika 
verbliebenen osmanischen Soldaten seien unter dem Kommando ihrer alten Offiziere geblieben, hätten 
sich fortgesetzt der türkischen Fahne bedient und ihre Gewehre und Geschütze behalten. Enver Bei 
habe in Libyen die Feindseligkeiten gegen die italienische Armee bis Ende November 1912 geleitet 
und Aziz Bei diese Gegend mit 800 Mann regulärer türkischer Truppen erst im Juni 1913 verlassen. 
Die Aufnahme beider bei ihrer Rückkehr in die Türkei beweise genügend, daß ihre Handlungen von 
der Kaiserlichen Behörde durchaus gebilligt worden seien. Nach Aziz Beis Abreise seien fortgesetzt 
Offiziere der türkischen Armee in der Cyrenaika eingetroffen, und zurzeit, d. h. im April 1915, be 
fänden sich außer hundert Offizieren, deren Namen die italienische Regierung kenne, 35 junge Leute 
aus Benghast dort, die Enver im Dezember 1912 gegen ihren Willen nach Konstantinopel in die 
Militärschule mitgenommen hatte, aus der sie alsbald nach der Cyrenaika zurückgesandt worden seien» 
Trotz gegenteiliger Erklärungen wisse man mit Sicherheit, daß der Heilige Krieg 1914 in Afrika 
auch gegen die Italiener proklamiert worden sei; eine Mission türkischer Offiziere und Soldaten, 
die beauftragt war, den aufständischen Führern der Senussi Geschenke zu überbringen, sei durch ein 
französisches Kriegsschiff aufgegriffen worden (vgl. VIII, S. 280). Die friedlichen und freundschaftlichen 
Beziehungen, die die italienische Regierung nach dem Lausanner Frieden zwischen den beiden Ländern 
glaubte herstellen zu können, existierten nicht, da die türkische Regierung sie zerstört habe und alle 
diplomatischen Beschwerden durchaus fruchtlos blieben. Die italienische Regierung mußte also anders 
vorgehen, wenn sie die hohen Interessen des Staates wahren und ihre Kolonien gegen die anhaltenden 
Bedrohungen und tatsächlichen Feindseligkeiten der türkischen Regierung verteidigen wollte. 
Die Entscheidung in diesem Sinne sei umso notwendiger und dringender geworden, als die osmanische 
Regierung sich erst kürzlich wieder flagrante Verletzungen der Rechte und Interessen, ja sagar der 
Freiheit italienischer Staatsangehöriger in dem osmanischen Kaiserreiche habe zuschulden kommen 
lassen, ohne daß die äußerst energischen Vorstellungen des italienischen Botschafters in Konstantinopel 
in dieser Frage irgendwelchen Erfolg gehabt hätten. Gegenüber den Winkelzügen der osmanischen 
Regierung hinsichtlich freier Abreise der italienischen Staatsangehörigen aus Kleinasien muhten diese 
Vorstellungen schließlich die Form eines Ultimatums annehmen. Am 3. August 1915 überreichte der 
Botschafter in Konstantinopel auf Weisung der Regierung dem Großwesir eine Note, die folgende vier
	        
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