Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

Der Stellungskrieg an den Dardanellen vom 4. Mai bis Anfang August 1915 269 
Hauptdeck mitgeschleppt. Von da gelang es mir, aus das Hinterdeck zu kommen. Das 
Hinterdeck war überfüllt mit Männern, die beinahe unbekleidet waren. Viele trugen 
Rettungsgürtel und waren im Begriff, von dem Schiff hinabzuklettern und in das Wasser 
zu springen. Ich machte, daß ich aus dem Torpedonetz herauskam, dann kletterte ich 
über in der Absicht, in das Wasser herabzugleiten und dann davonzuschwimmen. Gerade 
als ich mit beiden Beinen von der Schiffseite geglitten war, kam ein Stoß von hinten. 
Ich wurde über die Schiffseite hinabgeworfen und fiel mit beträchtlicher Stärke aus das 
Netzwerk, sprang aber in die See und ging unter. Ich tauchte jedoch sofort wieder auf 
und sah mich um. Die See war überfüllt mit Männern, die umherschwammen und um 
Hilfe riefen. Ich glaube, daß die meisten davon Reservisten waren, die die Mehrzahl 
der Schiffsmannschaft bildeten und das Schwimmen verlernt hatten, oder daß sie wenig 
stens den Glauben an ihre Kraft verloren hatten. Einige Jards von mir sah ich ein 
Boot, auf das jedermann im Wasser zuzuschwimmen schien. Es war schon mit Menschen 
voll bepackt, während andere an den beiden Seitenwänden hingen. Ich schwamm eben 
falls darauf zu und mischte mich unter die kämpfende Menge, und es gelang mir, mich 
an der Seite festzuhalten, aber es schien ganz unmöglich, mich heraufzuziehen. Ich sah 
mich nach der „Majestic" um, die nur einige Jards davon entfernt war, in einem spitzen 
Winkel lag, und ich erinnere mich, daß ich dachte, daß, wenn sie jetzt unterginge, unser 
Boot unter ihr begraben würde. 
Es ist sehr ermüdend, sich mit beiden Händen festzuhalten, während die Füße im 
Wasser hängen, und ich fing an zu überlegen, ob es nicht besser wäre, mich loszulassen 
und fortzuschwimmen, als mein rechter Fuß sich in etwas fing. Es war eine schmale 
Oeffnung im Kiel, die es möglich machte, daß man sich festhalten kann, wenn das Boot 
umschlägt. Dies gab mir sehr viel mehr Halt, und ich fühlte mich behaglicher. Eine 
Minute später und vielleicht auch weniger lehnte sich ein Matrose über die Bugseite, 
ergriff mich bei den Schultern und zog mich in das Boot, d. h. das, was von mir noch 
an Haut und Beinen übrig geblieben war. Ich war jedoch zu entzückt an Bord zu sein, 
um auf solche Kleinigkeiten achtzugeben. Nun hatte ich Zeit, mich umzusehen. Das 
Boot war ganz mit Menschen vollgepackt. Es war ein kleiner Kutter, bestimmt, 
höchstens 30 Personen aufzunehmen, und nun waren 94 darin. Wir saßen aufeinander, 
andere standen aufrecht und viele hingen noch an der Bugseite und baten, daß man sie 
an Bord nehme, was natürlich außer aller Frage war. 
Die „Majestic" bot nun ein außerordentliches Schauspiel. Sie lag jetzt so sehr auf 
der Seite, daß es nicht länger möglich war, auf dem Deck zu stehen. Ungefähr ein 
Drittel der Mannschaft schien jedoch noch an den Seiten zu hängen, als ob sie zögerten, 
in die See zu springen. Alle Schiffe ließen Boote herab und viele Dampfboote eilten 
herbei, um die Ueberlebenden aufzunehmen, aber sie wagten es nicht, in die Nähe zu 
kommen, aus Furcht, selbst mit begraben zu werden. „Wenn Ihr das Seil nicht los 
laßt, werdet Ihr herabgezogen werden." Man sagte mir, es sei der Kapitän Talbot 
gewesen, der noch am Hinterdeck hing und die Gefahr, in der wir schwebten, sah und 
uns gerade rechtzeitig warnte, denn in der allgemeinen Verwirrung hatten wir nicht 
bemerkt, daß unser Boot noch durch ein Seil befestigt war. 
Diese Entdeckung verursachte große Aufregung an Bord und viele, die dem bevor 
stehenden Unfall entgehen wollten, zogen es vor, sich noch einmal der See anzuvertrauen, 
und sprangen mit dem Ruder in der Hand über Bord. Ich zögerte noch, ob ich ihrem 
Beispiel folgen sollte, als es jemand gelang, das Seil abzuschneiden. Einige Sekunden 
später rollte die „Majestic" nach dem Hafen zu und sank, mit dem Kiel aufwärts, wie 
ein großer Stein hinab. Es wurde ein dumpfer grollender Laut vernehmbar. Wasser 
und Dampf quollen aus und für einen Augenblick sahen wir den grünen Schiffsboden,
	        
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