Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

Die Kämpfe i n Ostpreußen 
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Gegner eins auszuwischen, entgehen. Unser Oberst teilte unser Verlangen, und, was die 
Gäule hergeben konnten, ran an den Feind. Von beiden Seiten wurden die Russen ge 
packt, und in zehn Minuten höchstens war die Geschichte schon erledigt, denn die Rassel 
bande riß aus wie Schasleder. Doch wir hinterdrein, was das Zeug hielt, weiter, immer 
weiter, hinter den fast auf den Hälsen ihrer Pferde liegenden Russen her. Einige ruMche 
Schützenlinien wurden glatt überritten, andere Jufanterieverbände stoben beim Heran 
nahen der wilden Jagd in schreckhafter Panik auseinander, wieder andere, die wirklich 
Widerstand leisten wollten, knallten in der Verwirrung ihre eigene Kavallerie nieder, wo 
durch sie uns schon eine Arbeit sparten, kurzum, es war eine grenzenlose Verwirrung, die 
unsere wilde Jagd bei der feindlichen Infanterie hervorrief. Die Kosaken, Tataren, 
Baschkiren und wie die Kerle, die wir verfolgten, alle hießen, schlugen mit ihren Knuten 
auf die Gäule ein und brüllten wie besessen. Waffen und Ausrüstungsgegenstände war 
fen sie fort, um nur besser ausreißen zu können. Zwei feindliche Batterien kamen in 
Sicht, die auf einem Hügel wie auf einem Präsentierteller standen, und eben im Begriff 
waren, abzufahren. Kaum gesehen, waren wir auch schon droben, im Nu war die Be 
dienungsmannschaft zusammengehauen, die Stränge der Pferde durchgeschnitten, die 
Gäule selbst davongejagt öder zu eigenem Gebrauch requiriert, und weiter gings, den 
Kameraden nach, die plötzlich von der Seite, aus einer Talmulde heraus, von einem 
Regiment frischer Reiterei attackiert worden waren. Unserer Hilfe bedurfte es jedoch auch 
hier kaum noch, denn auch diesmal hielten die Russen nur kurze Zeit stand, trotzdem 
unsere Verbände sehr auseinandergekommen waren, und leicht zu überreiten gewesen 
wären. Leider hinderte ein dichter mit Sümpfen durchzogener Wald, in dem die flüch 
tenden Feinde verschwunden waren, unsere weitere Verfolgung. Aber auch hier war der 
Widerstand zwar hartnäckig, doch meistens nur kurz, denn von allen Seiten drängten 
unsere Truppen vor. Was die Infanterie hier geleistet hat, ist kaum zu glauben; eine 
solche Ausdauer im Ertragen von Strapazen jeder Art, ein solch wildes Draufgehen im 
ärgsten feindlichen Feuer steht sicher einzig da.. 
Gleichwohl wäre die 10. russische Armee kaum so vollkommen vernichtet und auf 
gerieben worden, wenn ihre weitere Flucht nicht durch eine großzügige Einkreisungs 
operation wirksam verhindert worden wäre. Unter außerordentlichen Schwierigkeiten 
und trotz der ungünstigsten Witterungsverhältnisse gelang es dem deutschen äußersten 
littken Flügel mit beispielloser Energie zur rechten Zeit den Kreis zu schließen und 
zugleich alle Durchbruchsversuche der eingeschlossenen Truppen wie neuer Kräfte aus 
Grodno siegreich abzuschlagen. 
Die Einkreisung des russischen Heeres 
Von der erfolgreichen Einkreisung der Russen gibt Rittmeister d. R. Hermann Stilke in 
der „Täglichen Rundschau" eine anschauliche Darstellung, der wir folgendes entnehmen: 
„Unser Armeekorps bildete den äußersten linken Umsassungsflügel der Armee, die Ost 
preußen vom Feinde befreien sollte. Am 8. Februar 1915, in den ersten Morgenstunden, 
trat die Division, die am weitesten links stand, den Vormarsch an. Der starke Schneefall 
der vorhergehenden Tage und ein am 6. Februar einsetzender riesiger Schneesturm hatten 
die Wege unpassierbar gemacht. Obgleich die Geschütze und andere Fahrzeuge auf Schlit 
tenkufen gesetzt und die schweren Bagagefahrzeuge durch Schlitten ersetzt worden waren, 
bildeten die tief verschneiten und vereisten Hohlwege doch fast unüberwindliche Hindernisse. 
Bald stieß auch die Vorhut in den ausgedehnten Grenzwaldungen südlich der Memel auf 
den Feind — meist Kosaken mit einigen Maschinengewehren und Geschützen, die ohne 
große Mühe vertrieben werden konnten. Am Abend betraten die vordersten Teile der 
Division zum ersten Male russischen Boden. Die Grenze war in dem verschneiten Ge-
	        
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