Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

er vor allem auf ein Offenlassen der bosnischen Frage Wert legen 
müsse. Solange die Annexion nicht von allen Mächten anerkannt sei, 
bleibe immer noch Hoffnung auf Erfüllung der serbischen Wünsche. 
Wer könne wissen, wie in fünf oder zehn Jahren die Lage Europas 
aussehen werde? „Das heißt also soviel,“ warf ich ein, „daß Sie Ihre 
Hoffnung auf eine allgemeine europäische Konflagration setzen?“ Der 
Gesandte antwortete auf die Frage nur mit einem Achselzucken. Auf 
meine weitere Bemerkung, daß mir in einer solchen Politik eine große 
Gefahr nicht nur für den europäischen Frieden, sondern 
noch viel mehr für die Existenz Serbiens zu liegen scheine, gab 
der Gesandte dies vollkommen zu, er fügte aber hinzu, die Stimmung in 
Serbien sei derart erregt, daßi, falls jetzt mit oder ohne Konferenz die 
Annexion Bosniens und der Herzegowina anerkannt würde und die „be¬ 
rechtigten“ Wünsche auf Kompensation dabei keine Berücksichtigung 
fänden, seine Landsleute, so toll dieses Unternehmen, wie er vollkommen 
einsähe, auch sei, sich schwer davon abhalten lassen würden, zur Selbst¬ 
hilfe zu greifen. E. Pourtales. 
Randbemerkungen des Fürsten von Bülow: 
*) Gewiß. 
**) Warum solche Eile? 
***) Verhandlungen von Kabinett zu Kabinett erscheinen ungefährlicher und aus¬ 
sichtsvoller als eine Konferenz ohne vorhergegangene völlige und wörtliche Einigung 
unter den Kabinetten. 
Nr. 445. 
Der Botschafter in Wien von Tschirschky 
an das|Auswärtige Amt.1) 
Telegramm. Entzifferung. 
Nr. 4io. Wien, den 20. November 1908. 
Geheim. 
Britischer Geschäftsträger2) hat Auftrag seiner Regierung erhalten, 
sich mit den Vertretern Deutschlands, Rußlands, Frankreichs und 
Italiens ins Einvernehmen zu setzen wegen Mitteilung der diesen Mäch¬ 
ten auf deren jüngste Vorstellungen in Belgrad von der serbischen Re¬ 
gierung erteilten Antwort. Text dieser Antwort hat englischer Geschäfts¬ 
träger jedem der Vertreter übergeben. 
Italienischer und französischer Botschafter haben daraufhin um tele¬ 
graphische Instruktionen ihrer Regierungen gebeten. 
England scheint damit der Sache den Charakter eines Kollektiv¬ 
schrittes der Mächte unter seiner Führung bei der K. und K. Regierung 
geben zu wollen. 
!) Die Große Politik Bd. 26 (I. Hälfte), Nr. 9119, S.275. 
2) L. D. Carnegie. 
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