er vor allem auf ein Offenlassen der bosnischen Frage Wert legen müsse. Solange die Annexion nicht von allen Mächten anerkannt sei, bleibe immer noch Hoffnung auf Erfüllung der serbischen Wünsche. Wer könne wissen, wie in fünf oder zehn Jahren die Lage Europas aussehen werde? „Das heißt also soviel,“ warf ich ein, „daß Sie Ihre Hoffnung auf eine allgemeine europäische Konflagration setzen?“ Der Gesandte antwortete auf die Frage nur mit einem Achselzucken. Auf meine weitere Bemerkung, daß mir in einer solchen Politik eine große Gefahr nicht nur für den europäischen Frieden, sondern noch viel mehr für die Existenz Serbiens zu liegen scheine, gab der Gesandte dies vollkommen zu, er fügte aber hinzu, die Stimmung in Serbien sei derart erregt, daßi, falls jetzt mit oder ohne Konferenz die Annexion Bosniens und der Herzegowina anerkannt würde und die „be¬ rechtigten“ Wünsche auf Kompensation dabei keine Berücksichtigung fänden, seine Landsleute, so toll dieses Unternehmen, wie er vollkommen einsähe, auch sei, sich schwer davon abhalten lassen würden, zur Selbst¬ hilfe zu greifen. E. Pourtales. Randbemerkungen des Fürsten von Bülow: *) Gewiß. **) Warum solche Eile? ***) Verhandlungen von Kabinett zu Kabinett erscheinen ungefährlicher und aus¬ sichtsvoller als eine Konferenz ohne vorhergegangene völlige und wörtliche Einigung unter den Kabinetten. Nr. 445. Der Botschafter in Wien von Tschirschky an das|Auswärtige Amt.1) Telegramm. Entzifferung. Nr. 4io. Wien, den 20. November 1908. Geheim. Britischer Geschäftsträger2) hat Auftrag seiner Regierung erhalten, sich mit den Vertretern Deutschlands, Rußlands, Frankreichs und Italiens ins Einvernehmen zu setzen wegen Mitteilung der diesen Mäch¬ ten auf deren jüngste Vorstellungen in Belgrad von der serbischen Re¬ gierung erteilten Antwort. Text dieser Antwort hat englischer Geschäfts¬ träger jedem der Vertreter übergeben. Italienischer und französischer Botschafter haben daraufhin um tele¬ graphische Instruktionen ihrer Regierungen gebeten. England scheint damit der Sache den Charakter eines Kollektiv¬ schrittes der Mächte unter seiner Führung bei der K. und K. Regierung geben zu wollen. !) Die Große Politik Bd. 26 (I. Hälfte), Nr. 9119, S.275. 2) L. D. Carnegie. 45