Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

Baron Schoen betonte die europäische Notwendigkeit, daß der Herd 
ewiger Beunruhigung in Belgrad endlich aus der Welt geschafft werden 
müsse. 
Nr. 966. 
Sir Edward Grey an Sir M. de Bunsen.x) 
Telegramm. Auswärtiges Amt, den 24. Juli 191/1. 
Nr. i48. A. i30 nachm. 
Österreichisch-ungarischer Botschafter hat mir die an Serbien ge¬ 
richtete Note mit den Erklärungen der österreichisch-ungarischen Re¬ 
gierung mitgeteilt* 2). 
Ich sagte, die Ermordung des Erzherzogs sowie einige der in der 
österreichisch-ungarischen Note hinsichtlich Serbiens angeführten Um¬ 
stände erweckten natürlich Sympathien für Österreich, ich hielte es aber 
für sehr bedauerlich, daß in diesem Stadium eine Frist, (?) und zwar 
eine solch kurze Frist gestellt worden sei, und die Note scheine mir 
das furchtbarste Dokument zu sein, das ich je einen Staat an einen an¬ 
deren unabhängigen Staat habe richten sehen. Forderung Nr. 5 könnte 
bedeuten, daß die österreichisch-ungarische Regierung berechtigt sein 
solle, Beamte zu ernennen, die auf serbischem Gebiet amtliche Befug¬ 
nisse ausüben dürften, und das würde mit Erhaltung unabhängiger Sou¬ 
veränität Serbiens kaum vereinbar sein. 
Ich machte diese Bemerkungen jedoch nicht, um die Rechtslage des 
Streitfalles zwischen Österreich-Ungarn und Serbien zu erörtern; da¬ 
mit hätten wir nichts zu schaffen. Ich würde mich lediglich vom Ge¬ 
sichtspunkt des europäischen Friedens aus mit der Sache befassen und 
ich sei sehr besorgt. 
Ich müßte die Ansichten anderer Mächte ab warten und wir würden 
uns ohne Zweifel mit ihnen beraten, um zu sehen, was zur Behebung 
von Schwierigkeiten geschehen könne. 
Der österreichisch-ungarische Botschafter äußerte, Serbien habe eine 
derartige Verschleppungstaktik befolgt, daß eine Befristung notwendig 
sei. Seit der Ermordung des Erzherzogs wären einige Wochen verstri¬ 
chen, von Serbien aber sei kein Zeichen der Teilnahme oder Hilfsbereit¬ 
schaft erfolgt; hätte es nach dem Morde die Hand geboten, dann hätte 
die gegenwärtige Lage verhütet werden können. 
Ich bemerkte, man hätte zu irgendeinem späteren Zeitpunkt eine Frist 
stellen können, falls Serbien mit einer Antwort gezögert hätte; wie die 
Dinge lägen, verlange die österreichisch-ungarische Regierung nicht bloß 
eine Antwort binnen achtundvierzig Stunden, sondern sie schreibe auch 
den Wortlaut der Antwort vor. 
*) Britische Dokumente Bd. I, Nr. 91, S. 123. 
2) Siehe Anhang A. 
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