Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

daß es in eurem Kabinette zwei Strömungen gibt; die eine für eine 
sachliche Politik, die andere aber für eine aggressive Politik. Deshalb 
war die Grundlage der Zirkularnote zwar ausgezeichnet, aber ihre Redi- 
gierung war unglücklich. Wahrscheinlich deshalb, weil sie uns vorher 
nicht mitgeteilt worden ist, in welchem Falle wir euch einen nütz¬ 
lichen Rat hätten geben können. Österreich-Ungarn hatte euch eine 
Tür offengelassen, denn es hatte die vage Form aufgestellt: Änderung 
eurer Politik. Eine derartige Erklärung abzugeben wäre 
nicht schwer gewesen, denn sie verpflichtet zu nichts. 
Jetzt wird es schwerer gehen, denn auch die neuen Forderungen Öster¬ 
reichs werden schwerer sein. Kurz vorher habe ich auch aus London 
einen Bericht über die Auffassung der englischen Regierung erhalten, 
die sich vollkommen mit der meinigen deckt. Ich weiß nicht genau, was 
zwar Österreich-Ungarn verlangen wird, aber ich glaube, daß keine 
Formel euch binden kann, die unter der Androhung eines Zwanges 
aufgestellt ist, auch deshalb nicht, weil die Entscheidung in der bos- 
nisch-herzegowinischen Frage nicht von uns abhängt und dieser un¬ 
serer Lösungsvorschlag keinen Einfluß haben wird auf die Entschei¬ 
dung der Mächte, welche bereits einen Standpunkt eingenommen haben, 
von dem sie nicht ab weichen werden. Es geht um eure Existenz. 
Die Lage ist kritisch, aber ich setze meine Aktion bei den befreundeten 
Mächten zu euren Gunsten fort und jetzt, nach eurer Mitteilung, werde 
ich mir die Sache noch überlegen und alles tun, was in meinen Kräften 
steht.“ — Er las mir ein Telegramm an den Geschäftsträger in Wien 
vor, aus dem ersichtlich ist, daß Österreich-Ungarn auch die Abrüstung 
fordern werde und ebenso ein Telegramm des Botschafters in London, 
wonach die englische Regierung unsere Antwort nicht billigt. Aus die¬ 
sem Telegramm ersah ich, daß der Botschafter den Eindruck hat, daß 
Aehrenthal friedlicher gesinnt ist und daß Grey glaubt, die serbische 
Regierung werde wegen der öffentlichen Meinung in Serbien nur unter 
dem Drucke der Mächte nachgeben, daß aber England diesen Druck 
nicht ausüben werde. Ich habe ein pro memoria aus dem Text des 
Telegramms überreicht und hinzugefügt, daß die in demselben enthalte¬ 
nen Erklärungen absolut aufrichtig seien. Dies sei das einzige, was 
Serbien tun könne und man müsse damit rechnen, wenn man den Frie¬ 
den wirklich wünsche. 
' • Nr. 74. 
Der serbische Gesandte Popowitsch, Petersburg, 
an das Ministerium des Äußern in Belgrad. 
Telegramm: Petersburg, den 5./i8. März 1909. 
Grey hat dem russischen Botschafter erklärt, daß England auch 
ferner die russische Politik entschieden unterstützen werde.
	        
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