Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

sonders aber dahin zu streben, daß St. Giovanni di Medua 
Montenegro zufalle. Den griechischen Ministerpräsidenten dafür 
zu gewinnen suchen, daß er bei passender Gelegenheit einen montene¬ 
grinischen Prinzen als Herrscher Albaniens in Vorschlag bringe. Der 
König sei zwar vom Erfolge dieser von ihm vorgeschlagenen Kandidatur 
keineswegs überzeugt, doch verspreche er sich trotzdem dadurch indirekt 
eine Hebung seines Ansehens. Als zweiten Kandidaten schlägt er dem 
griechischen Ministerpräsidenten Louis Bonaparte vor. Der König sei 
überzeugt, daß Bonaparte von den Großmächten dank seiner Familien- 
verbindungen mit dem griechischen und italienischen Hofe gern gesehen 
würde. 
Mit den österreichischen Diplomaten habe er sich besonders gut zu 
stellen und diesen gegenüber bei jeder Gelegenheit die Dankbarkeit für 
empfangene Wohltaten sowie die Hoffnung auf das auch ferner not¬ 
wendige Wohlwollen Österreich-Ungarns hinsichtlich der moralischen 
und materiellen Entwicklung Montenegros zu betonen. — Erwähnen 
möchte ich, daß bereits vor einigen Jahren von einer Vermählung der 
Prinzessin Xenia mit dem Prinzen Louis Bonaparte die Rede war. — 
Ich bitte, diesen Bericht als streng vertraulich zu betrachten1). 
Das Aktenstück trägt den Vermerk: Zur Kenntnis genommen, den 
Mitgliedern unserer Delegation in London zwecks Beobachtung dessen, 
woran gearbeitet wird, zur Kenntnis zu bringen. Den Inhalt dieses 
Berichtes auch den Gesandten in Petersburg, Rom, Berlin, London, 
Sofia, Bukarest und Athen mitzuteilen. 
Nr. 237. 
Der serbische Gesandte Gawrilowitsch, Cetinje, 
an das Ministerium des Äußern in Belgrad. 
Telegramm: Cetinje, den i./i4* Dezember 1912. 
Viele Mitglieder der „Narodna Odbrana“ aus Bosnien und 
der Herzegowina, die Freiwillige in Montenegro sind, haben 
gehört, daß Österreich-Ungarn mobilisiere. Da wenden Sie sich 
vertraulich an die Gesandtschaft mit der Frage, ob sie nach 
Hause gehen sollen, wo sie im Falle eines Krieges mit Österreich-Un¬ 
garn von größtem Nutzen sein würden. 
Bitte antworten Sie mir sofort. 
x) Der Inhalt dieses Berichtes Gawrilowitschs macht den Eindruck einer Fälschung, 
der diesmal nicht ein österreichischer Diplomat, wie Graf Forgäch anläßlich des Fried¬ 
jungprozesses, sondern ein serbischer Diplomat Glauben geschenkt hat, weil diese Aus¬ 
führungen seinen Konzeptionen über König Nikolaus genehm waren. Sollte aber der 
Inhalt, trotz der Bedenken echt sein, dann haben wir es mit einem klassischen Beispiel 
des Balkan-Byzantinismus zu tun. 
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