Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

Viele angesehene Politiker stimmen in allem mit Chomjakow über¬ 
ein. Suworin, der Leiter der Nowoje Wremja, sagte mir: „Neulich 
bei meiner Audienz äußerte sich der Zar: ,Die Annexion 
war die größte Schande für Rußland; eine solche Schande 
darf nicht noch einmal Vorkommen.4“ 
Nr. 201. 
Spezialdelegierter Koschutitsch, Petersburg, 
an das Ministerium des Äußern in Belgrad. 
Telegramm: 
Petersburg, den 
27. September 
—-- 1012. 
10. Oktober y 
Immer mehr sieht man den Unterschied zwischen der gegenwärtigen 
Lage und der Annexionskrise. Damals wollte weder die Regierung 
noch die russischen Gesellschaftskreise den Krieg, da sie fühlten, daß 
Rußland nach der Niederlage in der Mandschurei vollkommen unvor¬ 
bereitet war. Heute will zwar die Regierung auch keinen Krieg; aber 
die Gesellschaftskreise verhalten sich ganz anders. Stolypin, der Bru¬ 
der des ermordeten Ministerpräsidenten, sagte mir, in höheren Kreisen 
werde die Frage eines Krieges mit Österreich ernstlich erwogen, und 
alle sind für den Krieg. Dieser Krieg könnte im Frühjahr beginnen, 
wenn wir Serben dazu vorbereitet sind, und zwar, sobald sich Österreich 
einmengt und die Selbständigkeit Serbiens in den von uns festgesetzten 
Grenzen nicht zuläßt. 
Nr. 202. 
Der serbische Gesandte Simitsch, Wien, 
an das Ministerium des Äußern in Belgrad. 
Pov. br. 246. Wien, den 2./i5. Oktober 1912. 
Persönlich für den Minister. 
Auf ihre Ermächtigung hin kam ich gestern mit Dr. Kramarsch zu¬ 
sammen und hatte eine lange Besprechung mit ihm über seinen Plan 
einer etwaigen Annäherung zwischen Serbien und Österreich-Ungarn. 
Der Inhalt unserer Besprechung war in der Hauptsache folgender: 
Kramarsch sieht in der gegenwärtigen Lage eine große Gefahr nicht 
bloß für die südslawischen Staaten, sondern auch für den allgemeinen 
Frieden. In Österreich-Ungarn gebe es zwei Strömungen, die seine 
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