Volltext: Die Rainer am Cimone

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Gleißender Sonnenschein liegt über dem Cimone. Er 
dringt auch in unsere Herzen und erweckt dort eine stille 
Sehnsucht. Was geht uns in dieser Stunde nicht alles durch 
den Kopf! Wie freuen wir uns, den verschütteten Italienern 
helfen zu können! Nicht mehr unsere Feinde sind sie, nein! 
arme Menschen, welchen das Schicksal ein grausames 
Ende zugedacht hat. Wir werden sie befreien aus ihren 
Felsengräbern, die sie jetzt einschließen; doch nur noch 
für kurze Zeit. 
Wir wollen uns weiden an der Freude der Geretteten, 
wollen ihnen beweisen, daß die Rainer nicht nur im Kampf 
ihren Mann stellen, sondern auch im Dienst der Mensch 
lichkeit und Barmherzigkeit zu wirken wissen. 
Ein leises Surren läßt uns aufhorchen. Ein feindlicher 
Flieger steuert auf uns zu. In ganz geringer Höhe zieht er 
über dem Cimonekopf ratternd seine Schleifen. Die italie 
nische Trikolore leuchtet auf den Tragflächen des mäch 
tigen Capronis. Er scheint den Cimonekopf zu photo 
graphieren. Doch kein Schuß unsererseits fällt. 
12.15 Uhr mittags! Die ersten Schüsse der feindlichen 
Batterien belehren uns mit aller Deutlichkeit, daß der 
Kommandant der italienischen Streitkräfte unseren Vor 
schlag nicht angenommen hat. 
Bald sind wir im Bilde: 
„In der Erwägung, daß die österr.-ung. Truppen 
ebenso wie sie ihren Verwundeten zu Hilfe eilen 
konnten, in der langen Zeit zwischen der Minen 
sprengung und dem Beginne des italienischen Feuers 
aus Menschlichkeit auch den italienischen Verwundeten 
hätten helfen können, findet es Sr. Exzellenz der 
Armeekommandant für angezeigt, die verlangte Ein 
stellung des Feuers nicht zu bewilligen." 
Der Generalstabschef: GMj. Albricci. 
Die gestern von unseren Mannschaften unter Lebens 
gefahr im heftigen Feuer der feindlichen Artillerie ge 
borgenen Italiener teilten uns mit, daß noch etwa hundert 
ihrer Kameraden eingeschlossen seien. Mehrere von ihnen 
machten sich in Hinblick auf den von uns zu ihrer Rettung 
eingeleiteten Schritt erbötig, den genauen Ort anzugeben, 
wo wir mit dem Rettungswerk ansetzen müssen. Gerecht 
war ihre Entrüstung, als sie den abschlägigen Bescheid des 
italienischen Armeekommandos erfuhren. 
Den ganzen Tag über liegt ein langsames Feuer 
schwerer und leichter feindlicher Batterien auf dem 
Cimonekopf. Jede Arbeitstätigkeit ruht. Alarmierend wirkt 
die etwa um 2 Uhr einlangende Meldung, daß die Feld 
wachen Nr. 3 und 4 aus der Richtung Caviojo-Süd mit 
Chlorgasbomben belegt wurden. 
Das wäre eine Möglichkeit, uns vom Cimonekopf wie 
der zu vertreiben, denn wir besitzen keine Gasschutz 
masken. 
Aber es scheint sich nur um einen zaghaften feind 
lichen Versuch zu handeln, uns mit Gas zu bekämpfen. 
Am Abend ist auch diese Gefahr gebannt. Der Feld 
wachenkompagnie und den Mannschaften, die die Haupt 
stellung besetzt haben, wurden mit großer Beschleunigung 
Gasschutzmasken zugeschoben. 
Und als sich die Nacht herniedersenkt, schreiten die 
braven Rainer, voll Selbstverleugnung und Opfermut an 
das Rettungswerk. Sie setzen im feindlichen Feuer ihr 
Leben aufs Spiel, um das des wehrlosen, verschütteten 
Feindes zu retten.*) 
*) Am 28. September, 120 Stunden nach der Katastrophe, waren noch Hilferufe hörbar. Bis zum 2. Oktober waren zirka 90 Italiener, teils 
verwundet und vollkommen erschöpft, ihrem Felsengrabe entrissen. Die Gesamtzahl der Gefangenen stieg damit auf 492, darunter elf Offiziere 
und drei Offiziers-Aspiranten. Sie gehörten den Infant.-Reg. Nr. 219 und 153, dem 5. Artillerie-Regiment und dem Alpini-Baon Val Leogra an.
	        
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