Volltext: Alt-Wiener Kulturbilder [322/323]

„Werthers Leiden“ beim alten Stuwer. 
Vor sechzig Jahren wurden die Feuerwerke noch ganz 
anders ausgestattet, als in der neuesten Zeit. Durch die lei⸗ 
dige Okonomie der späteren Herren Stuwer (Vater und 
Sohn) kamen sie herab; beim Großvater Stuwer florierten 
sie. Die kleinen Dekorationen waren damals viel größer und 
imposanter, als heutzutage die Hauptdekoration. Diese nahm 
nun gar einen ungeheuren Raum ein. Schon das Gerüst, 
das immer stehen blieb, weil die Errichtung 8000 fl. gekostet 
hatte, war 65 Klofter breit und 24 Klafter hoch. 
Der Anschlagzettel verkündete: „Etwas ganz Originelles, 
nie Gesehenes, noch in keinem Feuerwerk versuchtes Schau— 
spiel, nämlich ein pantomimisches Feuerwerk unter dem 
Titel: Werthers Leiden, freisnach Goethe'.“ 
Ich erinnere mich noch, daß Werther seiner Lotte die 
Liebeserklärung unter einem blühenden Kirschbaum machte. 
Während er seine „feurigen Seufzer“ ausftieß, fielen die 
weißen, Blüten vom Baum ab; der Baum bedeckte sich mit 
grünen Blättern, und als Werther Lotten zu Füßen stürzte, 
erschienen die roten Kirschen an den grünen Zweigen. Das 
Publikum brach in unbeschreiblichen Jubel aus. —326 
Lotte und Werther aber sahen fürchterlich aus. Der 
letztere hatte einen Kopf wie der größte Kürbis, die Augen 
rollte er gräßlich, sein Bauch glich einem Zehn⸗Eimer-Faß, 
wogegen die Beine kurz und dünn wie von einem Reh waren. 
Daß er ein Schwärmer sei, markierte Herr Stuwer dadurch, 
daß er unaufhörlich „feurige Schwärmer“ hinter ihm aufsteigen 
ließ. Die Lotte war ein noch ärgerer Popanz. Die Affendame 
Miß Pastrana ist gegen sie eine Venus. Angetan war sie 
mit einem weißen Flitterkleide wie die Pamind; es war aber 
dieser Anzug mehr Hemd als Kleid, Sie erschien in blonden 
Locken aus rotem Feuer mit einem Veilchenkranz im Haar, 
der so groß und plump aussah wie ein Kuhkranz. Da diese 
Lotte in einer folgenden Szene mit einem Laib Brot und 
AltWiener Kulturbilder.
	        
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