Volltext: Der Feldzug im Baltikum bis zur zweiten Einnahme von Riga

Einführung. 
IX 
ausgewirkt, als beide Teile, insbesondere auch die militärischen Vertreter 
der sich gegenüberstehenden Anschauungen, aus voller Überzeugung im 
Interesse des zu Boden geworfenen Vaterlandes zu handeln glaubten. 
Für das ganze Jahr 1919, in dem die Baltikumkämpfe sich abgespielt 
haben, ist daher charakteristisches Merkmal eine besonders enge Wechsel¬ 
wirkung von Politik und Kriegführung. Fast kein militärischer Entschluß 
ist in dieser Zeit gefaßt worden und konnte gefaßt werden ohne Rücksicht 
auf die bestehenden politischen Hemmungen und die politische Auswirkung, 
die jeder Schritt und jede Maßnahme auf diesem heißen Boden haben 
mußten. 
Berechtigte Wünsche des baltischen Deutschtums, Machtstreben der 
Urbevölkerung des Ostraumes und ihrer neugeschaffenen Regierungen, 
Forderungen und Befürchtungen der Ententemächte, die große Frage der 
Abwehr der roten Gefahr und des künftigen Verhältnisses des Bolsche¬ 
wismus zu dem abendländischen Kultur- und Machtkreis, die Schwan¬ 
kungen und schließlich der Ausgang der Versailler Verhandlungen, die 
innerpolitische Entwicklung des Vaterlandes, alles das bewegte mehr 
oder minder nicht nur die oberste Führung, sondern erklärlicherweise auch 
die einzelnen Gruppen der Baltikumkämpfer, gleichviel ob sie als Alt¬ 
eingesessene um ihre Heimat, um Besitz und Kultur bangten, ob sie als 
Angehörige eines Volkes ohne Raum sich im Baltikum eine neue Heimat 
zu erwerben hofften, oder ob sie, erschüttert durch den eben erlebten Zu¬ 
sammenbruch, von außen her Ordnung in die verworrenen Verhältnisse 
des Reiches bringen zu können wähnten. 
Die Ausgaben, die damit den Führern aller Dienstgrade erwuchsen, die 
Konflikte, vor die sich alle bis herunter zum einfachen Frontkämpfer gestellt 
sahen, waren um so schwerer zu lösen, als auch im Jahre 1919 der eiserne 
Rahmen unbedingter Unterordnung unter eine allseits anerkannte Auto¬ 
rität, in dem sich die deutschen Vorkriegssoldaten zu bewegen gewohnt 
waren, keineswegs wiederhergestellt war. Gerade aus den Erfahrungen 
des Umsturzes glaubte ein nicht geringer Teil des deutschen Offizierkorps 
lernen zu müssen, daß es in chaotischen Verhältnissen nicht immer genügt, 
gegebene Befehle auszuführen oder mangels solcher sich abwartend zu ver¬ 
halten. Daß sich aus dieser neuerwachten Aktivität Reibungen und Gegen¬ 
sätze, vor allem in der Frage des Zusammenwirkens mit der nun einmal 
allein bestehenden Regierung, ergeben mußten, daß an einzelnen Stellen 
Folgerungen gezogen und Pläne geschmiedet wurden, die weit über den 
Rahmen dessen hinausgingen, was in gewöhnlichen Zeiten Sache mittlerer 
und unterer militärischer Dienststellen zu sein pflegt und was auch unter
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.