Volltext: Alpenkrieg

9. 
Trotz allen Vorsichtsmaßnahmen bleibt die drohende 
Gefahr dem Verteidiger nicht lange verborgen. Schon 
anfangs Jänner 1916 meldet ein Artilleriebeobachter vom 
Pordoijoch, daß ungewöhnlich starker Materialauswurf 
unter dem Gipfel des Col di Lana zu sehen sei. Längst 
mußten die Kavernen der Italiener fertig sein, aber Tag 
für Tag wuchs die Schutthalde, im Schnee deutlich er¬ 
kennbar und auch nach Neuschnee sofort wieder dunkel 
hervortretend — ein Beweis, daß dort unausgesetzt ge¬ 
arbeitet wurde. 
Kaiserjäger vom 2. Regiment haben mittlerweile die 
Verteidigung des Col di Lana übernommen. Sie wissen 
noch nichts von dem Anschlag, der da vorbereitet wird. 
Nur dem Kommando der Division „Pustertal" ist klar, 
daß die Italiener auf den einzigen Weg, diesem Berg 
beizukommen, verfallen sind. Man erwägt allerlei Gegen¬ 
maßnahmen, unter denen nur eine sicheren Erfolg ver¬ 
spricht: Der Vorstoß gegen die feindliche Stellung, die 
Wegnahme und Vernichtung des ganzen Stollensystems. 
Dieser Plan müßte zu jeder anderen Jahreszeit frag¬ 
los gelingen. Auf dem schmalen Hang wäre die zahlen¬ 
mäßige Ueberlegenheit des Feindes nicht zu fürchten ge¬ 
wesen. Ueberdies konnte zusammengefaßtes Artillerie¬ 
feuer jeden Zuzug von Verstärkungen unterbinden. 
Ein Hindernis aber steht alldem entgegen, unbe- 
zwinglich auch für den heldenmütigsten Soldaten: der 
immer dichter fallende Schnee, dessen Decke schon über 
zwei Meter stark geworden ist. 
Das Geheimnis des Col di Lana enthüllt sich auch 
bald der Gipfelbesatzung selbst. Daß der Anschlag mög¬ 
lich, ja wahrscheinlich ist, bestreitet niemand. Schon die 
täglichen Feuerüberfälle lassen verschiedenes ahnen. 
Bange Tage beginnen. Wohl noch nie haben Men¬ 
schen so sehnsüchtig den Frühling erwartet wie die 
hundertfünfzig Kaiserjäger auf der winterlich einsamen 
Bergspitze. Für sie geht es nicht um Sonnenlicht und 
Wärme, nicht um Befreiung von der drückenden Schwer¬ 
mut, die endloser Nebel, Kälte und Schnee auslösen — 
nein, es geht um das nackte Leben. Daß sie als Männer 
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