Volltext: Das Bild als Waffe

der II. Armee Aufnahme, wo er seine zeichnerischen und malerischen 
Talente verwerten konnte. Forain sah den ganzen Krieg: von den Gräben 
und Schlachtfeldern bis zum Waffenstillstand, dem Einzug der französi¬ 
schen Truppen in Metz, Straßburg und dem Tag von Versailles144. Fünf 
Jahre lang erwarteten Tausende von Lesern fast allwöchentlich seine 
Zeichnungen, die das Geschehen des Tages zusammenfaßten und die 
Wünsche der Massen zum Ausdruck brachten, ehe sie noch zu Ende ge¬ 
dacht waren. 
Als die beiden Vereinigungen der Zeichner-Journalisten kurz nach 
Kriegsende ihre Fusion beschlossen, wählten sie Forain zu ihrem Präsi¬ 
denten. Der Siebzigjährige zog sich schon bald vom politischen Tages- 
kampfe zurück; seine letzte Zeichnung erschien im FIGARO, in dem er 
vierzig Jahre lang veröffentlicht hatte. Als Coty das Blatt übernahm, ge¬ 
fiel es dem alten Forain dort nicht mehr; er wandte sich wieder seiner 
Malerei zu. Die höchste äußere Anerkennung seines Schaffens fand er, 
als ihn die Academie des Beaux-Arts am io. Februar 1923 in ihre Reihen 
aufnahm. Im Januar 1925 wurde er Präsident der Societe Nationale des 
Beaux-Arts. So fand der Künstler noch zu Lebzeiten den Ruhm, der einem 
Daumier versagt geblieben war. Forain starb im Jahre 1931. 
Vielleicht sind es die glücklichen Jahre der frühesten Kindheit in den 
traditionsgeschwängerten Gassen der Provinzstadt gewesen, die den 
heimat- und vaterlandliebenden Franzosen schufen, vielleicht waren es 
Lehrer wie Jacquesson de la Chevreuse und Freunde wie Joris-Karl Huys- 
mans, die aus ihm den gläubigen Katholiken machten. Seinem geliebten 
Frankreich und seinem katholischen Glauben, diesen beiden Ideenwelten 
verschrieb Forain sein Lebenswerk. Wie hätte er zur Zeit Boulangers etwas 
anderes sein können als Boulangist, in den Jahren der Dreyfus-Affäre 
etwas anderes als Antidreyfusard? Ist man verwundert, wenn er selbst 
gesteht, ein Revanchard gewesen zu sein 145, wenn er sagt: «Je n’ai jamais 
connu qu’un but: defendre le passe» und bekennt, «cheffiste» zu sein?146. 
In seinem Kriegswerk verwischen sich die Grenzen zwischen Nationalis¬ 
mus und Chauvinismus. Hier ist Forain nur noch Propagandist und Agi¬ 
tator, dessen Aufgabe darin besteht, die inneren und äußeren Feinde des 
Landes mit den Mitteln der Kunst und der Satire immer wieder anzu¬ 
greifen, seine Verteidiger aber und seine guten Kräfte mit denen der posi¬ 
tiven Werbung in das rechte Licht zu setzen. 
Forain zeichnet keine Karikaturen; er bildet die 
Wirklichkeit ab, resümiert und typisiert sie. Seine Satire liegt weniger in 
der Übertreibung oder Verzerrung der äußeren Formen als in der darge¬ 
stellten Situation und der Beischrift. In diesen Zeichnungen gibt es 
nichts Komisches wie noch in denen eines Daumier oder eines 
Gavarni. Sie machen den Betrachter nicht lachen, sondern rütteln ihn 
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