Volltext: Unteilbar und untrennbar (1,1919)

Der Feldzug von Krakau. 
fanteriedivisionen auszusetzen. So sehr die Lage der 4. Armee 
ein längeres Ausharren bei Brzesko erwünscht erscheinen 
ließ, mußte das Armeeoberkommando doch den vorgebrachten 
triftigen Gründen Gehör schenken und der Rückverlegung 
der Gruppe am 24. in den nächsten Verteidigungsabschnitt 
Bochnia—Muchowka (Straßengabel fünf Kilometer westlich 
Lipnica) zustimmen. Ohne vom Feind gedrängt zu werden, 
gelangte das Korps in diese Linie, das Detachement 
Brauner hinter die Raba nach Dziewin. Ein Versuch 
der Russen, sich des Überganges bei Ujscie Solne zu be; 
mächtigen, wurde abgewiesen. 
Inzwischen nahm das Ringen nördlich der Weichsel mit 
gesteigerter Heftigkeit seinen Fortgang. Der Nordflügel 
der 1. und der Ostflügel der 4. Armee erkämpften in zäher 
Arbeit einige Vorteile, die Gruppe FML. v. A r z erwehrte 
sich wiederholter gegen ihre ganze Front angesetzter Anstürme 
und ließ sich dadurch in ihrem Streben, den Angriff weiter 
vorzutragen, nicht beirren, vermochte aber den entscheidenden 
Punkt Skaia umsoweniger zu nehmen, als sich der Südflügel 
der 1. Armee infolge großer Verluste gänzlich zur Rolle der 
bloßen Verteidigung gegen den andringenden Feind ver; 
urteilt sah. 
Am Morgen des 24. machte sich das Eintreffen des russiV 
schen xxi. Korps auf dem Schlachtfelde der 4. Armee in 
wütenden Gegenangriffen auf das Korps K r i t e k und das 
XIV. Korps fühlbar. Die Gruppe N i k i c mußte sich damit 
begnügen, in hartem Kampfe die Höhen nordöstlich Koszyce zu 
erstürmen und dadurch die Flanke der 4. Armee zu sichern. 
Wohl wurden die russischen Angriffe mit großem Verlust 
für die heranstürmenden Truppen in glänzender Weise abge; 
wiesen, wohl zeigte der bisherige Schlachtverlaufdie Erringung 
einer ganzen Reihe gewichtiger Vorteile; der endgültige Sieg 
war aber nicht erzwungen worden und nicht mehr zu erhoffen, 
seit der Feind auch Teile der 3. Armee in den Kampf geworfen 
hatte und damit gerechnet werden mußte, daß die russische 
Übermacht südlich der Weichsel in fortschreitendem Vor; 
dringen mehr und mehr in Flanke und Rücken der schwer 
kämpfenden 4. Armee gelangen werde. 
Über die rühmenswerte, heldenhafte Haltung des k. u. k. 
Losonczer Infanterieregiments Nr. 25, welches im Verbände 
der Gruppe FML. v. A r z 
eingeteilt war, am 23. und l 
24. November 1914 erzählt 
der Kriegsberichterstatter 
Kirchlehner auf Grund 
der Angaben eines Mit; 
kämpfers im Pester Lloyd 
vom 30. März 1916 fol¬ 
gendes: 
Die Schlacht nördlich Kra- 
kau tobte nun schon den achten 
Tag. Die gegen Westen vor- 
schiebende russische Dampf- 
walze war zum Stehen ge- 
bracht worden, aber immer 
noch mußten die Regimenter 
der k. und k. 4. und 1. Armee 
neuerdings an den Feind ge- 
führt werden. 
Der Angriffsraum des Kas- 
saer VI. Korps erstreckte sich 
beiderseits der von Olkusz ge- 
gen Opatowiec an der Weichsel 
hinziehenden- Landstraße, die 
Truppen waren bis ans gleiche Höhe mit der Festung Krakau vorge- 
drungen und hatten nun mit der allgemeinen Richtung Jwanowice— 
Stomniki neuerlich anzugreifen. Ihr Vorrückungsraum wurde durch 
die Lehmschlucht des Dlubniabaches in zwei Teile gespalten. Westlich 
der Schlucht schritt die Kassaer 27. Heeresdivision Kosak, östlich der 
Schlucht die Kassaer Honvöddivision H a d f y zum Angriff auf den 
uns in starkbewehrten Stellungen erwartenden Feind. Als Schlüssel- 
punkt der russischen Stellungen galt die Meierhofposition beim Tri- 
gonometer 349, die weithin das Gelände beherrscht. Sie zu nehmen, 
darauf waren die Bemühungen der Honveddivision gerichtet. 
Es war 6 Uhr abends des 23. Novembers 1914. Wir hatten eben 
im Schulhause von Damice unser einfaches Mittagmahl verzehrt 
und Stroh für die Ruhestatt zusammengetan, als vom Divisions- 
kommando Kosak beim Losonczer Regiment Nr. 25 der telephonische 
Befehl einlangte: „Angriff auf den Meierhof abgewiesen. DieHonv6d- 
division wird morgen den Angriff wiederholen. Das H./25. Bataillon 
marschiert nach Maszkow, wo es dem Oberstbrigadier D a u b n e r unter- 
stellt wird." Das Bataillon wurde alarmiert und rückte um 9 Uhr abends 
nach seinem Bestimmungsort. Hier gab der Brigadier dem Bataillon 
die Weisung, daß morgen um 3 Uhr früh der Angriff auf den Meier- 
Hof ohne Schuß erfolge und daß das Bataillon Gruppenreserve sei. 
Der Bajonettangriff gelang indessen nicht. Die Bataillone waren 
in der Dunkelheit rechts und links am Meierhof vorbeigekommen, 
und ehe man in der stockfinsteren Nacht des Versehens gewahr wurde, 
spie der Meierhof, den die Russen zu einem gewaltigen Stützpunkt 
ausgebaut hatten, nach beiden Flanken Feuer, Tod und Verderben in 
die Reihen der Honveds. Zu gleicher Zeit bestreute die feindliche Artillerie 
den dahinterliegenden bewaldeten Hang, um das Vorwärtskommen 
neuer Verstärkungen zu verhindern. Als das Bataillon H a u s k a 
unter einem Hagel von Schrapnellen den zum Meierhof ansteigenden 
Hang erklommen hatte, erteilte der im heftigen Feuer das Gefecht 
leitende Oberstbrigadier dem Bataillon den Befehl, den Waldrand 
zu besetzen und dort jeden Rückschlag zu verhindern. 
Blutigrot erhob sich am 24. November die Morgensonne und sie 
beleuchtete das eisstarrende Totenfeld auf der Höhe 349. Vor den 
am Waldesrand eingenisteten Losonczern lagen, kaum fünfhundert 
Schritt entfernt, die Trümmer des zusammengeschossenen Meierhofes. 
Dort hielt sich noch versteckt eine russische Maschinengewehrabteilung 
auf, die aus den Ruinen unablässig auf unsere Angriffstruppen feuerte. 
Es war das Verdienst des Oblt. Reichel, diese verwegene und 
gefährliche Abteilung durch das Feuer seiner Kompagnie außer Kampf 
gesetzt zu haben. Mit zunehmendem Tageslicht trat allmählich Ruhe 
ein. Die Bataillone krampften sich in den Boden fest, wo sie eben hinge- 
kommen waren und nur die russische Artillerie hielt unsere Stellungen 
Zusammenfluß der Weichsel und des Dunajec bei Opatowiec.
	        
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